- Das Wissen über Zahl, Lage und Beschaffenheit von Quellen ist noch dürftig
- Quellen sind wichtige Indikatoren für den Zustand von Grundwasser und Umwelt
- Quellen sind schutzwürdig
- Quellen eignen sich gut für „Crowd Science“
- Die Beschäftigung mit Quellen schärft Wahrnehmung und Naturverständnis
- Quellen zu suchen entschleunigt und fördert das Orientierungsvermögen
- Manche Quellen bieten einen interessanten Blick in die Vergangenheit
- Schätze entdecken und bewahren: artesischen Quellen
Das Wissen über Zahl, Lage und Beschaffenheit von Quellen ist noch dürftig
Quellen sind natürliche Abflüsse des Grundwassers und damit ein wichtiger Teil des Wasserkreislaufs. Die Limnologie befasst sich unter anderem mit der Typisierung von Quellen, der Erforschung von Einzelaspekten und dem Lebensraum Quellbiotop. Die Mittel der öffentlichen Hand hierfür sind vergleichsweise gering, zumal in Zeiten des Klimawandels strukturelle Maßnahmen gegen Überflutungen und Dürren Vorrang haben.
Wasserparameter und Schüttung werden nur bei Quellen systematisch analysiert, die kommerziell genutzt oder zur Trinkwasserversorgung herangezogen werden. Doch das sind wenige. Die Wasserwerke greifen heute überwiegend auf Grund- oder Oberflächenwasser zu, denn Quellen mit ausreichender und zuverlässiger Schüttung sind rar, die Wasserqualität großer Karstquellen unterliegt oft starken Schwankungen. Flaschen- und Thermalwasser stammt praktisch immer aus Tiefbohrungen.
Die Brunnen der über 6.000 deutschen Wasserversorger sind den Wasserwirtschaftsämtern bekannt, andere kommerziell genutzte Brunnen sollten es zumindest sein. Zur Zahl natürlicher Quellen gibt es nicht einmal Schätzwerte, ebenso zur Zahl gefasster Quellen. Die Karten der Vermessungsämter weisen nur einen Bruchteil aus, der regional sehr unterschiedlich hoch ist. Von den weit über hundert natürlichen Quellen am deutschen Salzachufer erfasst der BayernAtlas beispielsweise nicht eine einzige. Andernorts werden sie in relativ hoher Dichte abgebildet, man findet selbst diese und jene Quelle verzeichnet, die es seit Menschengedenken nie gegeben hat oder die schon seit Jahrzehnten versiegt ist. Natürliche Mineralquellen, tuffbildende Quellen oder Quelltümpel werden lediglich als solche ausgewiesen, wenn sie einen besonderen Schutzstatus haben.
Die unbeantworteten Fragen rund um unsere Quellen sind vielfältig. Manche sind für die künftige Wasserversorgung von zentraler Bedeutung, andere sind primär von wissenschaftlichem Interesse.
Vielfach sind es NGOs und Privatpersonen, die – mit oder ohne institutionelle Unterstützung - in mühevoller Kleinarbeit Informationen zur Lage und Befindlichkeit von Quellen zusammentragen, sie schützen, pflegen und renaturieren.
Quellen sind wichtige Indikatoren für den Zustand von Grundwasser und Umwelt
Gerade wegen ihrer zumeist kleinen Einzugsbereiche liefern Quellen besonders wertvolle Informationen. Sie stellen gewissermaßen strategische Punkte dar, an denen zahlreiche sensible Parameter erfasst werden können, um ökologische Zusammenhänge eines Gebietes und die Einwirkung des Menschen darauf zu beschreiben. Quellen-Monitoring wird in letzter Zeit auch für die Entwicklung des Klimas eingesetzt. Unter anderem stellen sich die Fragen
- welchen Einfluss lokale Niederschläge, Bau- und Infrastrukturmaßnahmen, der Betrieb von Tiefbrunnen, Bergbau, Drainagen usw. auf die Schüttung sowie das kurzfristige und dauerhafte Versiegen von Quellen haben
- welche Bewirtschaftungsformen in Land- und Forstwirtschaft sich wie auf das Filtrieren und Speichern von Wasser auswirken
- wie sich Luftschadstoffe, Deponien, generell anthropogene Schadstoffe auf ihre Wasserqualität auswirken
- wie sich Klimawandel und andere Faktoren auf den Anteil an intermittierenden, versiegenden und versiegten Quellen auswirken
- welche Quelltypen welchen Einfluss auf Mikroklima und Artenvielfalt nehmen
- welche Art der Quellfassung sich wie stark auf den Lebensraum Quellbiotop auswirkt und wodurch sie sonst besonders häufig und stark geschädigt werden
- welche Funktion naturbelassene Quellbäche hinsichtlich Mikroklima und Artenschutz erfüllen
- welchen Einfluss Bakterien, Pflanzen und Kleinstlebewesen in Quellbiotopen und Quellbächen auf die natürliche Selbstreinigungskraft des Wassers nehmen
- wie und in welchen Zeiträumen sich Renaturierungsmaßnahmen auf Quellen und ihr Wasser auswirken
- ob staatliche Aktionsprogramme und Schutzversprechen ausreichen, um der fortlaufenden Zerstörung von Quellen und ihren Quellbiotopen zu begegnen
- welche Quellen aus welchen Gründen unter besonderen Schutz zu stellen sind
Quellen sind schutzwürdig
Als in den 1960er Jahren die Umweltschäden immer offensichtlicher wurden, begann sich langsam ein ökologischer Denkansatz zu entwickeln. Der Report „Global 2000“ führte schon um das Jahr 1980 aus, dass der eingeschlagene Weg notwendig in eine Sackgasse führt und machte die Gesellschaft mit Begriffen wie Umweltressourcen, Dezentralisierung, qualitatives Wachstum, Kreislaufwirtschaft oder Artenvielfalt bekannt. Während Appelle von Fachleuten und Teilen der Zivilgesellschaft immer drängender wurden, verschlief die Politik die Entwicklung und noch heute scheitert sie oft an Lobbyismus und Wählern, die sich von den notwendigen Änderungen überfordert fühlen.
In dieser Zeit sind tausende Arten ausgestorben und der Klimawandel offenbart sich in immer tolleren Kapriolen. Auch um die Quellen ist es schlecht bestellt, besonders um Offenlandquellen, so sind sich Fachleute einig. Nur sehr wenige haben bisher einen Schutzstatus als Naturdenkmal oder Geotop erhalten. Noch immer werden sie zahlreich offen oder geschlossen gefasst, verfüllt, vermüllt, von Traktoren und Harvestern zerfurcht, von Weidevieh und unachtsamen Wanderern zertrampelt, in Rohre verbannt, um Fischteiche und Kneippbecken zu füllen. Sie leiden unter dem Eintrag von Dünger, Schadstoffen, Sedimenten und Abwasser. Dabei bieten Quellbiotope Lebensraum für viele bedrohte Amphibien und seltene Insekten, für unzählige Kleinstlebewesen, die wir zum Teil noch gar nicht kennen.
Es gibt verschiedene Aktionsprogramme, Renaturierungsmaßnahmen und staatliche Schutzversprechen, um der anhaltenden Zerstörung von Quellen zu begegnen. In der Realität sind die Kriterien, wonach Quellen als schützenswert eingestuft werden, allerdings schwammig und Verstöße werden zumal auf Privatgrund nicht sanktioniert. So nimmt die Zahl intakter Quellen weiter ab und Jahr für Jahr versiegen mehr von ihnen vollständig.
Quellen eignen sich gut für „Crowd Science“
Das digitale Zeitalter macht es möglich, dass Internetnutzer Open Source Karten (OSM) bearbeiten, laufend ergänzen und an geänderte Gegebenheiten anpassen. Auf diese Weise wurden in Europa bereits rund 80.000 Quellen und Brunnen auf OSM verortet, davon viele, die auf topografischen Karten der Vermessungsämter fehlen. In Deutschland nutzt das Landauer Institut für Grundwasserökologe „Citizen Science“, um angesichts zunehmender Trockenperioden Informationen über ausgetrocknete Fließ- und Stillgewässer zu sammeln. Besonders für Langzeitauswertung sind die Daten einer großen Zahl von Freiwilligen hilfreich.
Ein Monitoring mit Hilfe von Laien setzt den Fragestellungen zwar Grenzen. Wie weit die Möglichkeiten der Community aber doch reichen, zeigt das kleine Estland, wo schon vor Jahren mit einem Quellen-Monitoring begonnen wurde. Ging man um 1930 von 4.500 Quellen landesweit aus, so schätzt man ihre Zahl heute auf 15.000. Obwohl das Baltikum wegen seiner ausgedehnten und schwer zugänglichen Moor- und Sumpfgebiete denkbar schwierige natürliche Gegebenheiten hat, wurden von Freiwilligen mit institutioneller Unterstützung bislang rund 3.000 Quellen erfasst, teils beschrieben und ihr Wasser mit einfachen Parametern analysiert. Die Ergebnisse werden von Wissenschaftlern in einer nationalen Datenbank gesichert und ausgewertet.
Ein Glücksfall ist es, wenn sich Vereine mit hoher wissenschaftlicher Kompetenz dem Thema widmen, etwa der Landesverband für Höhlen- und Karstforschung Hessen e.V. , der mit institutioneller Unterstützung mittlerweile rund 4.200 Quellen im Biosphärenreservat Rhön kartiert hat und mit der Erforschung ihrer Fauna und Flora einen bedeutenden Beitrag zum Quellenschutz leistet. Rheinland-Pfalz hat in einer Quellenschutzkampagne etwa 500 Quellen erfasst und beschrieben. Vergleichbare Projekte gibt es beispielweise im Harz, im Nationalpark Berchtesgaden, in Paderborn oder im österreichischen Nationalpark Kalkalpen, wo fast 1.000 Quellen in Langzeituntersuchungen dokumentiert werden.
Die länderübergreifende WASSERWIKI Quellenkarte möchte in Bild und Text einen schnellen Überblick über Quellen unterschiedlicher Art geben und dabei auf die Hilfe und das Wissen der Nutzer zugreifen. Neben der Verortung, fotografischen Darstellung und kurzen Charakterisierung von Quellen stehen auch gesellschaftliche und historische Fragen im Fokus: welchen Stellenwert haben Quellen in unterschiedlichen Regionen für die Wasserversorgung und im öffentlichen Bewusstsein? Was lässt sich aus Sagen und archäologischen Funden über ihre Bedeutung in früheren Zeiten schließen? Wo hat sich die Tradition der Heiligen Quellen erhalten, wo ist sie aus welchen historischen Gründen verloren gegangen? Wo in Europa treten natürliche Mineral- und Thermalquellen unter welchen hydrogeologischen Voraussetzungen gehäuft auf? In welchen Breitengraden und Landschaftstypen sind Tuffquellen verbreitet? Wo und wodurch sind Quellen besonders stark geschädigt? Welche Quellen sind besonders schutzwürdig?
Zur Frage der Schüttung und dem (zeitweisen) Versiegen von Quellen kann das Modell WASSERWIKI hingegen nur Zeitaufnahmen bieten. Chemische oder physikalische Analysen von Wasser können wir ebenso wenig leisten wie eine wissenschaftliche Bestimmung der Flora und Fauna von Quellbiotopen.
Die Beschäftigung mit Quellen schärft Wahrnehmung und Naturverständnis
Für Jäger und Sammler, selbst noch für die Bauern in vorindustrieller Zeit war das aufmerksame Beobachten der Natur ein wesentlicher Teil ihrer Überlebensstrategie. So eigneten sie sich detailreiches Wissen über die Natur und ihre Gesetze an, das sie von Generationen zu Generation weitergaben. In der archaischen Welt ließen sich die Menschen dabei nicht nur von ihren sieben Sinnen leiten, sondern es kam eine weitere Dimension der Wahrnehmung hinzu, die unserer wissenschaftlich-technischen Gesellschaft fremd geworden ist: Die Menschen verbanden sich innerlich mit der Natur, lebten in Resonanz mit ihr und „erspürten“ Dinge, die uns heute verborgen sind.
Skurrile Felsen, Höhlen, Schluchten, Wasserfälle, Bäume mit ehrfurchtgebietendem oder auffälligem Wuchs, Orte also, die wir heute als mystisch bezeichnen, galten den vorchristlichen Religionen als Sitz der Götter, über Quellen wachten Naturgeister. Noch mittelalterliche Kathedralen wurden von Freimaurern auf Kraftlinien erbaut, Pilgerwege liefen auf ihnen entlang, Christophorus-Bilder an Kirchenfassaden weisen auf unterirdisch fließendes Wasser hin. Manches dieser früheren Gedankenwelt gehört sicherlich ins Reich des Aberglaubens, mit den geänderten Überlebensstrategien von Aufklärung und Neuzeit ist aber auch viel wertvolles Wissen verloren gegangen. Die moderne Wissenschaft konnte durch zunehmende Spezialisierung sehr detailreiches Wissen zu Wasser, Geologie, Biologie, Botanik und unzähligen anderen Fachgebieten gewinnen. Das ging allerdings einher mit dem Verlust von ganzheitlichem Denken, respektvollem Handeln und nachhaltigem Wirtschaften.
Quellen bieten jedem, der einen offenen Blick hat und die richtigen Fragen stellt, eine wunderbare Gelegenheit, sich den Zusammenhängen in der Natur zuzuwenden. Welchen Geschmack hat das Wasser? Liegt die Quelle allein auf weiter Flur oder gibt es in der Nähe weitere, die auf einen breiten Grundwasserleiter schließen lassen? Um welchen Quellentyp handelt es sich? Aus welchem Boden und Gestein tritt das Wasser und wo vermute ich das Einzugsgebiet der Quelle? Welche Pflanzen, Moose und Flechten wachsen an der Quelle und ihrem Bach, entdecke ich mit etwas Glück vielleicht sogar einen Lurch? Ist ein Quellteich mit Algen bewachsen und falls ja mit welchen? Bildet das Quellwasser Sinter oder andere Ablagerungen? Welche Bäume stehen gerne an Quellen und wie ist ihr Wuchs? Fallen mir in der Nähe von Quellen vielleicht häufig Ameisenhaufen oder Nester bestimmter Fluginsekten auf? Lernen durch eigene Wahrnehmung und Beobachtung, die Sinne schärfen, wieder neugierig werden und staunen über die unbändige Kraft der Natur, Räume zu gestalten und zurückzuerobern, sich immer wieder neu zu erfinden.
Quellen und ihre Biotope sind außerordentlich empfindlich. Deshalb sollte nie durchfeuchteter Boden betreten werden. Von natürlichen Quellen oder Steinernen Rinnen bitte mindestens zwei Meter Abstand halten.
Quellen zu suchen entschleunigt und fördert das Orientierungsvermögen
Viele Menschen sind gerne in der Natur, haben aber den Blick für ihre Details verloren. Bergpanoramen müssen atemberaubend, Landschaften grandios sein, die rasante Talfahrt sollte kräftig Adrenalin ausschütten, der Blick ist auf Schrittzähler und Pulsanzeige gerichtet. Solches Naturerleben ist Ausdruck einer „verdichten“ und reizüberfluteten Zeit und schwächt die Fähigkeit zum aufmerksamen Beobachten.
Auf Quellenpirsch besteht kein Grund zur Eile – das Wasser wird auch morgen noch fließen. Ein kurzweiliger Bachlauf, ein artenreicher Wald entlang des Weges helfen abzuschalten, sich auf die Natur einzustimmen und zu erden. Wer Spaß daran gefunden hat und häufiger auf Quellensuche geht, entwickelt ein immer besseres Gespür dafür, wo in der Landschaft sie sich gerne verstecken, folgt weglos einem Bachlauf, der neugierig macht, schlägt sich durchs Unterholz, müht sich einen Hang hinauf, bis er endlich gefunden hat (oder auch nicht ...), wonach er sucht. Das volle Fitnessprogramm also.
Kinder sind mit Quellensuchspielen zu motivieren und lernen dabei, sich im Gelände zu orientieren – eine Fähigkeit, die dank „Navi“ und Stubenhockerei auch vielen Erwachsenen fehlt. Dabei schadet es nicht, sich mit analogen und/oder digitalen topografischen Karten vertraut zu machen, mit Himmelsrichtungen, Höhenlinien, Legende, online- und offline-Modus. Wie also finde ich die Quelle im Gelände und noch wichtiger: wie finde ich zurück zu meinem Ausgangspunkt? Es gibt viel zu entdecken und zu lernen in der analogen Welt da draußen. Damit das Abenteuer keinen unliebsamen Ausgang nimmt, haben wir einiges über Gefahren im Gelände zusammengestellt.
Manche Quellen bieten einen interessanten Blick in die Vergangenheit
Weil Quellen früher für Menschen so wichtig waren, wurden mitunter Details über sie festgehalten, die uns noch heute zugänglich sind. In alten Dokumenten erfährt man von Fehden, die sich an Quellen entzündeten, von Müllern, die sich das Wasser von Quellbächen gegenseitig abgruben, von Ortschaften, die wegen versiegter Quellen aufgegeben werden mussten, von Pogromen gegen jüdische „Brunnenvergifter“ beim Ausbruch der Pest, vom Streit klerikaler Würdenträger um Wunderquellen als einträgliche Pfründe oder von „gefakten“ Quellwundern, durch die Pilger angelockt werden sollten.
Ebenso interessant sind die unzähligen Legenden, die sich um Heilige Quellen ranken. Sie erzählen von geizigen Bauern oder gottlosen Rittersleuten, die als Strafe mitsamt ihren Höfen und Burgen in Quellen und Seen versanken, von Heiligen, die mit ihrem Stab Quellen schlugen, von Jungfrauen, die der Versuchung des Teufels widerstehen mussten, als sie Wasser an einer Quelle holten, von Quellen, die ihre Wunderkraft einbüßten, weil ein Bauer mit ihrem Wasser sein Pferd von Blindheit kurieren wollte.
In den Kapellen geben Votivtafeln anschauliche Bilder von der wunderbaren Hilfe, die Menschen dank des heilsamen Wassers, der Fürsprache der Muttergottes oder eines Heiligen und natürlich nicht zuletzt durch ihren eigenen Glauben erfuhren. Blinde wurden sehend, Lahme kamen wieder auf die Füße, Aussätzige wurden von ihrem Leiden befreit, unzählige Menschen wurden von Schmerzen, Wechselfieber (Malaria), Epilepsie, ja gar von Schwachsinn geheilt.
Schätze entdecken und bewahren: artesischen Quellen
Der besondere Wert der oft unscheinbaren artesischen Quellen liegt in ihrem reinen, nahezu keimfreien und lange haltbaren Wasser. Niederschläge benötigen Jahrzehnte oder Jahrhunderte, um bis in die tiefen Lagerstätten zu versickern, wo sie manchmal Jahrtausende lang ruhen, bevor sie „gereift“ mit annähernd konstanter Schüttung und Temperatur wieder aufsteigen. Artefakte zeigen, dass artesische Quellen schon in der Steinzeit erkannt und für Rituale genutzt wurden, dass sie über die Zeit besondere Verehrung genossen. Bis heute haben sie großen Anteil an den Heiligen Quellen. Es ist alarmierend, dass in letzter Zeit immer mehr dieser Boten aus den unbekannten Tiefen unserer Erde versiegen.
Noch ist wohl nicht der Klimawandel für das Versiegen der Quellen verantwortlich, eher sind es immer neue Bohrungen und überhöhte Entnahmen aus diesen „eisernen Reserven“. Die Dichte artesischer Quellen ist regional sehr unterschiedlich, ihre Gesamtzahl unbekannt. Manche Hausbrunnen oder Heilige Quellen werden als „Arteser“ bezeichnet, ohne wirklich welche zu sein, von vielen echten artesischen Quellen wissen nur Ortsansässige, manche sind auch noch unbekannt. Ein Quellen-Monitoring in Estland hat gezeigt, dass dort etwa jede fünfte Quelle artesisches Wasser führt – ein hoher Wert, der auf große Mengen an Tiefenwasser hinweist.
In Deutschland sind größere artesische Tiefenlager beispielsweise von den Randgebieten des Thüringer Waldes und des Harzes bekannt. Ehemals große Reservoirs sind auch schon erschöpft. Bei Schermbeck im Kreis Wesel sind von ehemals dutzenden artesischen Brunnen, die zufällig durch Mutungsbohrungen für den Bergbau entstanden, nur noch zwei aktiv. Auf den Quellwiesen von Unna/Mülheim haben die natürlichen artesischen Quellen mit Wasser vom südlichen Haarstrang durch Bohrungen so viel an Kraft verloren, dass die meisten heute nur noch zeitweise aktiv sind. Zudem ist ihr Wasser durch Einträge aus der umliegenden Landwirtschaft belastet.
Weltweit sind viele Tiefenlager noch unbekannt – und das ist gut so, denn die Gefahr der Ausbeutung ist hoch. Die artesischen Dilmun-Quellen, die vor 4.000 Jahren eine Hochkultur in Bahrain ermöglichten, wurden Opfer des Ölbooms, den gewaltigen Aquiferen unter Libyen geben Fachleute noch einige Jahrzehnte und in Australien wird artesisches Wasser für den Bergbau eingesetzt. Es heißt, Menschen können nur schützen, was sie kennen – die Dynamik der Ausbeutung ist oft aber stärker als alle Schutzversprechen. Immerhin haben viele Menschen den besonderen Wert von artesischem Wasser inzwischen erkannt und es formiert sich Widerstand gegen seine Ausbeutung.
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