Baltische Staaten
Baltische Staaten
Die drei Baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland bilden mit angrenzenden Teilen ihrer Nachbarstaaten Russland, Weißrussland und Polen aus hydrologischer Sicht einen Naturraum mit vielen Gemeinsamkeiten, weshalb wir sie als Ganzes darstellen möchten:
- Litauen (65.300 km² Fläche, 2,8 Mio. Einwohner, 43 Einwohner / km²) als größter und am dichtesten besiedelter der Staaten
Hauptstadt Vilnius 580.000 Einwohner, Gründung laut Legende im Jahr 1316,
Pro-Kopf-BIP 2021 ca. 19.000 EU
- Lettland (64.589 km² Fläche, 2 Mio. Einwohner, 30 Einwohner / km²)
Hauptstadt Riga 600.000 Einwohner, Gründung im Jahr 1201
Pro-Kopf-BIP 2021 ca. 21.500 EU
- Estland (45.340 km² Fläche, 1,3 Mio. Einwohner, 28 Einwohner / km²)
Hauptstadt Tallinn 440.000 Einwohner, Gründung Mitte des 11. Jahrhunderts
Pro-Kopf-BIP 2021 ca. 25.000 EU
Geschichte
Die Besiedlung des Baltikums, dessen Namen sich vom „Mare balticum“ herleitet, dem lateinischen Begriff für die Ostsee, der erstmals im elften Jahrhundert von dem Geschichtsschreiber Adam von Bremen erwähnt wird, reicht bis zum Ende der letzten Eiszeit vor 11.000 Jahren zurück. Im zweiten vorchristlichen Jahrtausend ließen sich indoeuropäische Stämme als Vorfahren der späteren Letten und Litauer nieder. Fehlende schriftliche Dokumente und materielle Hinterlassenschaften hüllen die Entwicklung bis zur Christianisierung aber in Nebel. Erst seit „Litua“ 1009 in den Quedlinburger Annalen als Zielgebiet christlicher Mission auftaucht, fällt da und dort ein Schlaglicht auf das Gebiet. Mit der Gründung Rigas durch Bischof Albert von Bremen begann um 1200 eine von Missionaren und Kaufleuten getragene Kolonialisierung, an der neben Deutschen auch Dänen beteiligt waren. Der Schwertbrüderorden und später in dessen Nachfolge der Deutsche Orden waren die Armee der Mission. Obwohl das Baltikum durch Zersplitterung in viele kleine Fürstentümer politisch schwach war, zeigten die Bemühungen um Christianisierung lange geringen Erfolg. Noch Ende des 14. Jahrhunderts, als die Hanse den Küsten der Ostsee mit ihren Städtegründungen bereits einen kräftigen wirtschaftlichen Aufschwung gebracht hatte, galten die Bewohner des Baltikums als "letzte Heiden" Europas.
Politisch geriet das Baltikum seit dem Mittelalter immer wieder in den Sog der Auseinandersetzungen zwischen Russland und den großen Ostseeanrainern. Versuche zur politischen Sammlung zeigten kaum Erfolg, was litauische Fürsten aber nicht davon abhielt, in slawisch besiedelte Gebiete und damit in den Herrschaftsbereich der orthodoxen Kirche vorzustoßen. Großfürst Mindaugas, der aus Anlass seiner Krönung 1253 die katholische Taufe annahm, sich später jedoch wieder vom Christentum abwandte, gilt als Staatsgründer eines litauischen Königreichs. Das konnte sich zwar festigen und erstreckte sich im 18. Jahrhundert als Königreich Polen-Litauen im Süden bis zum Osmanischen Reich, der Preis war allerdings eine Polonisierung des litauischen Adels und eine immer größere Abhängigkeit von den Nachbarn.
Den Norden dominierte zunehmend die deutsche Oberschicht, die Stadtbürgertum und Großgrundbesitzer stellte und zusammen mit Dänemark und Schweden den Protestantismus ins Baltikum brachte. Die zahlreichen Gutshöfe ehemals deutscher Besitzer, die man heute - in guter oder auch weniger guter Verfassung - vor allem in Estland noch findet, zeugen von diesen sozioökonomischen Verhältnissen. Gemeinsam war den Ländern, dass die eingesessene Bevölkerung der Esten, Letten und Litauer eine rechtlose Unterschicht bildete. Ihre eigene, bäuerlich geprägte Kultur gaben vor allem Esten und Letten gleichsam im Verborgenen von Generation zu Generation weiter.
Unter den Zaren verbesserte sich die Situation der litauischen Bevölkerung nicht. Im Gegenteil: nun herrschte Leibeigenschaft und die Abgabenlast der Bauern stieg weiter. Ab 1816 wurden die Bauern unter dem aufgeklärten Zar Alexander I. rechtlich zwar befreit, Freizügigkeit oder eigenes Land bekamen sie aber weiterhin nicht, weshalb sie von ihren Gutsherren abhängig blieben. Russisch wurde zur Amtssprache und jeder Widerstand wurde unterdrückt.
In Estland und Lettland, wo man keine vergleichbaren Erfahrungen mit russischen Repressionen machen musste, konnten verschiedene Bewegungen des „nationalen Erwachens“ zumindest den kulturellen Einfluss der eingesessenen Bevölkerung stärken. Ihre eigene Presse, Literatur, Musik und Kunst traten zunehmend selbstbewusst neben die deutsche Kultur. Den Willen zur nationalen Selbstbestimmung brachte in den 1840er-Jahren auch der Übertritt von 100.000 Esten und Letten zum russisch-orthodoxen Glauben zum Ausdruck, ein Versuch, aus der anhaltenden Abhängigkeit von deutschen Gutsbesitzern und lutherischer Kirche zu entkommen. Um 1870 wurden in Estland und Lettland erstmals nationale Liederfeste organisiert, die zu einer kulturpolitischen Institution wurden. Dem katholischen Litauen blieben solche Erfolge nach einem erneut erfolglosen Aufstand gegen Russland im Jahr 1863 versagt.
Staatsgründungen in Lettland und Estland ab den 1920er-Jahren verhalfen den Ländern nur zu kurzer Blüte und gingen letztlich in den Wirren nach der russischen Revolution unter. In Lettland entwickelte sich ein reger Alkoholschmuggel ins 80 Kilometer entfernte Finnland, dem 1919 die Prohibition verordnet worden war. Wegen der Verwandtschaft ihrer finno-ugrischen Sprachen, war die Verbindung von Estland und Finnland seit jeher eng und sie ist es bis heute geblieben.
1940/41 überzog die Wehrmacht auch die baltischen Länder mit Krieg und wenig später die Waffen-SS mit ihren „Säuberungsaktionen“ – mit verheerenden Folgen: etwa jeder achte Este kam in dieser Zeit ums Leben und fast die gesamte bürgerliche und intellektuelle Elite des Landes wurde ausgelöscht. Teile der deutschen Bevölkerung waren nach einem Geheimabkommen zwischen Hitler und Stalin 1939 bereits nach und nach "heim ins Reich" geholt worden. Das Baltikum war von den Diktatoren der sowjetischen Interessensphäre zugeschlagen worden, die Abkommen zur Neuordnung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg schrieben das fest. Unter sowjetischer Herrschaft wurden ehemalige Kollaborateure verfolgt, Denunziantentum, Massendeportationen, Kollektivierung und vor allem die weiter zunehmende Russifizierung durch den Zuzug von Arbeitskräften wälzten die Gesellschaften erneut um. Das Baltikum verschwand hinter dem „Eisernen Vorhang“ und stand im Kalten Krieg an vorderster Front.
Ab Mitte der 1960er-Jahre begannen sich die Verhältnisse zu konsolidieren, die Sowjetunion setzte zahlreiche Infrastrukturmaßnahmen und soziale Projekte um und der Alltag fand langsam zur Normalität zurück. Viele Bewohner des Baltikums hatten sich mittlerweile im neuen System und in den neuen gesellschaftlichen Verhältnissen eingerichtet und sahen einer gesicherten Zukunft entgegen.
Mit dem sich abzeichnenden Zusammenbruch der Sowjetunion nahmen die Turbulenzen erneut zu, der Übergang vom politischen Monopol der KPdSU zur Eigenstaatlichkeit war erneut dornig. Aus Anlass des 50. Jahrestages des Hitler-Stalin-Paktes bildeten 1989 zwei Millionen Menschen die "Baltische Kette", die Tallinn mit Riga und Vilnius verband. Im März 1990 erklärte Litauen seine Unabhängigkeit, im folgenden Januar wurden die Aufstände in Vilnius und Riga nochmals blutig unterdrückt. Erst der Putsch in Moskau im August 1991 ermöglichte den drei Ländern den Absprung, die internationale Anerkennung der Unabhängigkeit Estlands, Lettlands und Litauens durch den Westen folgte auf dem Fuß. Mit dem Beitritt zur NATO (2004), zur Europäischen Union (2004) und zur Eurozone (2011/2014/2015) konnten sich die Baltenrepubliken schnell in westliche Bündnisse integrieren.
Wirtschaft und Gesellschaft
Die Kennzahlen zur Bevölkerungsdichte kennzeichnen ein wesentliches Merkmal des Baltikums: weite Räume, die mit 35 Einwohnern je Quadratkilometer(im Vergleich: Deutschland 235, Niederlande 507), zu den am dünnsten besiedelten in Europa gehören. Manche ländlichen Bereiche entvölkern sich durch Abwanderung und Urbanisierung weiter, die Geburtenzahlen liegen insgesamt niedrig. Während die boomenden Hauptstädte sich längst mit anderen in Europa messen können und bei der Digitalisierung an vorderster Front stehen, haben sich in ihrer Peripherie russisch bewohnte Gettos gebildet, der ländliche Raum verarmt und überaltert zusehends, es fehlt an Arbeitskräften.
Vor allem das östliche Estland und Lettland sowie der Süden Litauens haben am Wachstum kaum Anteil. Die Bewohner dort fühlen sich benachteiligt, wenn sie einer Minderheit angehören, zusätzlich diskriminiert, so wie die Altgläubigen am estnischen Peipussee, die im 17. Jahrhundert als Religionsflüchtlinge ins damals schwedische Estland kamen. Gravierender noch ist das Problem mit Russen, Weißrussen und Ukrainern. 1989 lag der Anteil der Titularbevölkerung in Estland bei nur noch 61%, in Lettland bei 52%. Lediglich in Litauen konnte der Arbeitskräftebedarf durch die eigene Bevölkerung gedeckt werden, weshalb der Anteil von Litauern im heutigen Staatsgebiet bei etwa 85% liegt.
Die russischen Minderheiten von jeweils rund 27% Bevölkerungsanteil in Lettland wie Estland bergen hohes Konfliktpotential, zumal sie in den östlichen Provinzen mit bis zu 90% in einer Art "Paralleluniversum" leben. Der Einfluss der konservativen orthodoxen Kirche ist groß und viele sind der Landessprache nicht mächtig. Esten und Letten wiederum sind nur selten kirchlich gebunden, auch wenn sie sich als überwiegend spirituell einschätzen. Nur in Litauen bekennen sich wegen der historischen Nähe zu Polen 77% der Bevölkerung zum katholischen Glauben. So sind es nicht zuletzt weltanschauliche Gründe, weshalb kaum Ehen zwischen Balten und Russen geschlossen werden. Der Ukraine-Krieg hat in jüngster Zeit Spannungen, Misstrauen und Angst noch verstärkt, was eine Annäherung weiter erschwert.
Der Boden war spätestens seit der Kolonisierung durch Deutsche sehr ungleich verteilt. Während die Gutsherren sich die fruchtbarsten Landstriche sicherten, mussten die Kleinbauern auf staunasse und anmoorige Flächen ausweichen oder auf karstigen Böden ihr Auskommen finden, wo kaum Ackerbau möglich ist. Nach dem Zusammenbruch der sowjetischen Kolchosen ging es mit der Landwirtschaft bergab. Viele Flächen lagen brach, andere wurden kleinbäuerlich mit ein paar Rindern und Kleinvieh bewirtschaftet. Heute beträgt der Anteil landwirtschaftlich genutzter Flächen zwischen 22% in Estland und 47% in Litauen, wo auf fruchtbaren Braunerden die Kornkammer des Baltikums liegt. In den letzten Jahren drängen internationale Investoren auch in den baltischen Landwirtschaftssektor, es gibt einen neuerlichen Trend zum Großbetrieb, die Rinder von Kleinbauern werden selten auf den Weiden.
Wegen seiner geologischen Voraussetzungen ist das Baltikum arm an Bodenschätzen. Nach dem Ersten Weltkrieg spezialisierte sich Estland auf die Produktion von landwirtschaftlichen Produkten und Textilien. Der Aufbau einer Schwerindustrie scheiterte, es gelang aber, Ölschiefervorkommen im Nordosten zu erschließen, ein Eisenbahnnetz aufzubauen und eine industrielle Holz-, Papier-, Textil- und Zementproduktion zu entwickeln. In Lettland war die Schwerindustrie erfolgreicher, Tabakanbau, Brauereiwesen und Textilherstellung wurden gefördert, der Landmaschinenbau florierte. In Litauen spielte Industrie hingegen kaum eine Rolle. Unter der UdSSR begann dann eine forcierte Industrialisierung, die den Ländern neben sowjetischen Arbeitsmigranten auch enorme Umweltbelastungen brachte. Privatsektor und Handel verschwanden fast völlig.
Mit erlangter Eigenständigkeit hat sich vor allem die junge Generation auf die Digitalisierung gestürzt, in der die kleinen Länder heute eine europäische Führungsstellung einnehmen. Litauen besitzt das schnellste öffentliche Internet Europas, das Bezahlen mit Bargeld ist fast vollständig verschwunden und es gibt kaum noch öffentliche Bereiche, die nicht digital abgewickelt werden. Wegen einer gut ausgebildeten Jugend mit überdurchschnittlichen digitalen Fähigkeiten wurden die Baltischen Staaten gerade im Dienstleistungssektor für Investoren interessant. Der Tourismus hat mit der Corona-Krise zwar starke Einbußen erfahren, lässt für die Zukunft aber einen weiteren Anstieg der Gästezahlen erwarten.
Naturraum und Landschaftsbild
Im Proterozoikum, das vor etwa 540 Millionen Jahren abgeschlossen war und durch den Beginn tierischen Lebens gekennzeichnet ist, war das Baltikum Bestandteil eines Urkontinents namens Baltica. Aus geologischer Sicht stellt es den westlichen Teil der „Russischen Tafel“ dar, die aus rohstoffarmen Sedimentpaketen besteht und tektonisch relativ ruhig ist. Das Oberflächenrelief wurde primär von der letzten Eiszeit (Weichsel-Glazial) geprägt, die das Baltikum vollständig mit Gletschern überzog, sich vor etwa 12.000 Jahren zurückzog, dabei eine variationsreiche Moränenlandschaft mit geringer durchschnittlicher Höhe und relativ wenigen Erhebungen zurückließ. Relikte aus dieser Zeit sind Urstromtäler, wie die der Flüsse Ahja, Kavilda, Vanajögi oder Piusa. Die höchsten Berge liegen östlich der lettischen Hauptstadt Riga in der „Livländischen Schweiz“ (Gaizinkalns, 311 Meter) und im südöstlichen Estland (Suur Munamägi, 318 Meter).
Das Baltikum hatte sich unter den bis zu 3.000 Metern mächtigen Eismassen gesenkt und hebt sich seit deren Abschmelzen wieder an, noch heute um jährlich mehr als einen Millimeter. Auf den wasserstauenden Sedimentschichten über dem glazialen Schotter bildeten sich ausgedehnte Moore, die im 20. Jahrhundert teilweise für eine industrielle Torfgewinnung genutzt wurden. Anders als in Mitteleuropa sind sie aber überwiegend von Eingriffen verschont geblieben, sodass sie heute 5% der Fläche bedecken. Zusammen mit niedrigen Moorwäldern und weitflächigen, naturnahen Mischwäldern in Naturschutzgebieten und Regionalparks zählen sie zu den größten Naturschätzen des Baltikums. Neben einer sehr vielfältigen Flora mit zahllosen botanischen Raritäten bieten sie Wisent, Elch, Wolf, Braunbär, Luchs, Biber und Fischotter Schutz. Neben dem im Sommer allgegenwärtigen Storch finden auch viele selten gewordene Vögel wie Schrei- und Schelladler, Auer-, Birk- und Haselhuhn, Eulen und Käuze, Wachtelkönig, Dreizehen- und Weißrückenspecht in unberührten Naturlandschaften geeignete Habitate. Amphibien und Fische profitieren von den zahllosen Mücken, die im Inland ab Ende Mai mancherorts zur Plage werden.
Auf verkarstetem Untergrund wie dem nordlitauischen Gipskarst oder weiten Flächen Estlands ist die Bodenbedeckung so karg, dass kein Ackerbau möglich ist. In anderen Gebieten sind die Böden aufgrund eines noch jungen, schwach ausgeprägten natürlichen Gewässernetzes mit gleichzeitig geringer Geländeneigung von Staunässe betroffen und können allenfalls nach Entwässerung genutzt werden. In der "fünften Jahreszeit" während der Schneeschmelz werden viele Flächen weitflächig überschwemmt. Im estnischen Nationalpark Soomaa östlich von Pärnu kann sich auf Mooren, Sümpfen, Auen und Wäldern dabei eine Überschwemmungsfläche von mehr als 140 Quadratkilometern bilden.
Fast die Hälfte der Fläche von Estland und Lettland ist mit Wald bestanden, in Litauen ist es ein knappes Drittel. So beträgt der Anteil landwirtschaftlich genutzter Flächen zwischen lediglich 22% in Estland und 47% in Litauen. In den letzten Jahrzehnten hat sich vor allem in Estland und Litauen die landwirtschaftliche Nutzung immer wieder geändert. Nach dem Zusammenbruch der sowjetischen Kolchosbetriebe ging es mit der Landwirtschaft bergab. Viele Flächen lagen brach, andere wurden kleinbäuerlich mit ein paar Rindern und Kleinvieh bewirtschaftet. Heute drängen auch hier internationale Investoren in den Landwirtschaftssektor, die Tendenz zum Großbetrieb nimmt wieder zu, man sieht weniger Vieh auf Weiden, wodurch sich auch das Landschaftsbild wieder ändert.
Die Küstenlinie des Baltikums hat eine Länge von rund 4.400 Kilometern, davon alleine fast 3.800 Kilometer in Estland, das 2.222 Inseln haben soll, nur 19 von ihnen allerdings bewohnt. Auch die Küstenformen der Ostsee sind Resultat von Gletscherbewegungen und nacheiszeitlicher Geländehebung im nördlichen und -absenkung im südlichen Bereich der Ostsee. Beeinflusst werden die Küsten zudem durch beständige Winde, die von Westen Sedimente anschwemmen. So haben sich sehr unterschiedliche Küstenformen herausgebildet wie die Haffküste der Kurischen Nehrung, Kliffküsten oder Fördenküsten, an denen die Gletscher riesige Findlinge abgelegt haben. An den nordestnischen Kalksteinklippen, die bei Ontika eine Höhe von über 50 Metern erreichen, ist der Kalkstein aufgeschlossen. Hier stürzen 35 zumeist kleinere Wasserfälle zur Ostsee hinab, als höchster mit 26 Metern der Valaste Fall im Kreis Ida-Viru. Die Klippen sind Teil des 1.200 Kilometer langen Baltischen Klints (auch Glint), der sich von Schweden bis nach Russland erstreckt. Die Verwendung dieses "nordischen Marmors" als Baumaterial hat eine über 2.000 Jahre alte Tradition. Viele der Schlösser, Herrenhäuser und nicht zuletzt große Teile der Altstadt Tallinns sind aus estnischem Kalkstein erbaut, der bis nach Russland exportiert wurde. Entlang dieser abwechslungsreichen, aber kargen und landwirtschaftlich wenig ertragreichen Küstenlandschaften haben sich schon im 19. Jahrhundert berühmte Seebäder entwickelt, wie das heute noch viel besuchte Jurmala.
Die enge Naturverbundenheit der Balten spiegelt sich in den Nationalparks der drei Länder wider. Fast 6.000 Quadratkilometer der terrestrischen Fläche (rund 3,2%, in Deutschland 0,6%) sind durch Nationalparks geschützt, viele weitere Gebiete durch Regionalparks. Neben Wäldern und Wasserflächen sind Auen und große Moorgebiete geschützt, wie der 72.500 Hektar große estnische Lahemaa-Nationalpark. Naturliebhabern, Wanderern und Wassersportlern erschließen sich abseits der Touristenpfade vielfältige und für Mitteleuropäer nahezu grenzenlos erscheinende Wald-, Seen-, Moor- und Insellandschaften. Selbst in bekannteren Regionen wie den westestnischen Inseln Saaremaa und Hiiumaa mit ihren Wacholderheiden und paradiesischen Orchideenwiesen, dem urwüchsigen Gauja-Nationalpark in Lettland oder den malerischen Seenlandschaften Ostlitauens trifft man selten auf ausländische Touristen, während die einheimische Bevölkerung auch gerne bei Wind und Wetter dort wandert.
Wasserschätze der Baltischen Staaten
Die Hydrogeologie der Baltischen Staaten ist von den letzten Eiszeiten geprägt, die neben ihren Moränen auch weite Karstflächen, Urstromtäler und unzählige Findlinge hinterlassen haben. Viele der Mulden haben sich im Lauf der Zeit mit Sedimenten nach unten abgedichtet, weshalb an den Oberflächen großflächige Moore und staunasse Gebiete mit geringer Neigung entstanden sind. Das junge System an Fließgewässern ist noch wenig ausgeprägt und viele Flächen konnten nur durch Drainagegräben für die Landwirtschaft nutzbar gemacht werden.
Estland etwa sitzt fast zur Hälfte auf einem mächtigen, bis 500 Millionen Jahre alten Kalksteinsockel. Der kristalline Untergrund besteht aus Gesteinen, deren Oberfläche glatt geschliffen und mit 10-15 Grad nach Süden geneigt ist. Als weitere Gesteine bestimmen wenig durchlässige Schichten aus Sedimenten (Lehm), feinkörnigem Buntsandstein und Schiefer die Hydrogeologie. Eine Besonderheit Estlands ist der "brennende Stein", ein hochwertiger Ölschiefer, der in der Vergangenheit einen nennenswerten Anteil an der Energieversorgung Estlands hatte.
Karstbildung hat an den Kalksteinschichten des Baltikums zwar stattgefunden, sie ist aber deutlich weniger ausgeprägt als an den gefalteten und stark gealterten Karstgebieten des Balkans oder den mitteleuropäischen Juragebieten. Der baltische Kalkstein birgt vergleichsweise flache und breite Grundwasserleiter, die sich selten über mehrere Stockwerke erstrecken und sich an der Oberfläche nur selten durch Höhlen erschließen. Den Charakter des baltischen Karstes zeigt besonders schön der Geolehrpfad Tuhala mit seiner launischen Hexenquelle, die sich nur alle paar Jahre bequemt, ihre Fontäne an die Oberfläche zu schicken. In Nordlitauen bieten die beeindruckenden Dolinen und Quellseen bei Birzai ein anschauliches Bild des baltischen Karstes.
Wegen der großen Moorflächen ist das Wasser vieler Bäche, Flüsse und Seen im Baltikum von Huminstoffen rötlich-braun gefärbt. So erscheinen gerade viele Flüsse recht dunkel - wenn die Tage im Herbst kürzer werden und Nebel aufsteigen geheimnisvoll, mitunter gar düster. Der Eindruck soll aber nicht trügen: die Gewässer gehören zu den saubersten in ganz Europa und sind ökologisch überwiegend noch intakt. Wenn die Sonne im Sommer hochsteht und die Tage lang sind, bilden die dunklen Wasseroberflächen die Landschaft und den Himmel darüber in großartigen Spiegelungen ab, wie man sie bei hellen und glasklaren Karstwässern in solcher Brillanz nicht zu sehen bekommt.
Moore
In vielen der von Gletschern geschliffenen Ebenen und Mulden haben sich auf dichtendem Ton ausgedehnte Moore und Feuchtflächen gebildet, wie sie auch in Mitteleuropa früher weit verbreitet waren, heute aber nur noch selten erhalten sind. Trotz Torfabbau, Besiedelung und Infrastrukturmaßnahmen sind viele der Moorlandschaften des Baltikums noch intakt. Allein in Estland gibt es 9.836 Moore, die zusammen fast ein Fünftel der Landesfläche ausmachen und das Landschaftsbild in vielen Gegenden bestimmen. Sie bilden einmalige Ökosysteme und hervorragende Speicher für Wasser und Kohlendioxid - gleichviel ob es sich um Hochmoore, Niedermoore oder Übergangsmoore handelt.
Auf ebenen Flächen (Niederung von Pärnu und Haapsalu) herrschen Hochmoore vor, die ausschließlich von Regenwasser gespeist werden und daher sauer und nährstoffarm sind. In Regionen mit gegliedertem Relief (Höhen um Haanja und Otepää) dominieren Niedermoore, deren Torfschichten heute eine Mächtigkeit von über 15 Metern erreicht. Die feuchten Wiesen sind überwiegend anmoorig und können landwirtschaftlich allenfalls extensiv genutzt werden. Aufgrund ihrer Fähigkeit, tierische und pflanzliche Reste und Pollen einzuschließen und zu konservieren, sind diese Moore für die Wissenschaft ein hervorragendes Archiv zu Umwelteinflüssen und Klimaveränderungen in den letzten Jahrtausenden.
Flüsse und Seen
Die Gletscher haben in vielen Gegenden des Baltikum ein Landschaftsprofil hinterlassen, dessen Mulden sich mit dichtenden Sedimenten füllten und heute reich gegliederte Seenplatten bilden, so wie etwa im Nordosten Litauens und Südosten Lettlands. Diese Wasserlandschaften mit bäuerlicher Siedlungsstruktur reichen bis weit nach Weißrussland und Russland hinein. Alleine in Lettland werden 2.256 Seen mit einer Fläche von mehr als einem Hektar gezählt. Die Tiefe dieser Seen ist gering, ihr Wasser glasklar, wegen der Huminstoffe aber häufig dunkel. So können sie sich im Frühjahr schnell erwärmen, nachdem sie im Winter monatelang unter Eis und Schnee lagen.
Die rund 1.500 Seen Estlands bedecken knapp 6% der Landfläche. Das ist fast doppelt so viel wie in Brandenburg, dem wasserreichsten deutschen Bundesland. Lässt man die riesigen Seen Russlands außer Acht, so ist der Peipussee mit seinen 3.555 Quadratkilometern der drittgrößte See Europas. Obwohl mehr als sechs Mal so groß wie der Bodensee, hat er wegen seiner geringen Tiefe von maximal 15 Metern doch nur halb so viel Wasser. Er bildet über mehr als 120 Kilometer die Grenze zu Russland und an seinen Ufern, die Estland einen 30 Kilometer langen Sandstrand bieten, leben altorthodoxe Gläubige in russisch-traditionellen Dorfgemeinschaften. Eine Berühmtheit auf der wunderschönen Insel Saaremaa ist der winzige Kaali-See, ein kreisrunder Meteoritenkrater, der sich mit Wasser gefüllt hat.
Nur wenige Flüsse der Baltischen Staaten erreichen eine Länge von mehr als 150 Kilometern, viele haben wegen der ebenen Landschaften aber sehr große Einzugsgebiete. Die nur 77 Kilometer lange Narwa, die zwischen ihrem Ursprung im Peipusee und ihrer Mündung in den Finnischen Meerbusen gerade einmal 30 Höhenmeter zurücklegt, soll eine Fläche von 56.200 Quadratkilometern entwässern - doppelt so viel wie der 517 Kilometer lange Inn. Von den 200 Flüssen Estlands ist der Vohandu mit 162 Kilometern der längste. Die 1.020 Kilometer lange Düna (lettisch: Daugava), Lettlands längster Fluss, ist schon ab Riga stromaufwärts nicht mehr schiffbar. Die 937 Kilometer lange Memel (litauisch: Nemunas) bildet in Litauen das größte Flussdelta des Baltikums aus. Das „Memelland“ markierte einst die Grenze deutscher Besiedlung im Osten und das Deutschlandlied tut das bis heute, wenn es dort heißt “... Von der Maas bis an die Memel / Von der Etsch bis an den Belt“. Immerhin beschränkt sich die deutsche Nationalhymne seit 1991 auch offiziell auf die unverfängliche dritte Strophe.
Im Vergleich zu mitteleuropäischen Flüssen sind die des Baltikums naturbelassen und nicht wenige legen bezaubernde Mäander in die flache Landschaft. Wegen der geringen Höhenunterschiede dümpeln sie mancherorts so beschaulich dahin, dass sie in kalten Wintern schnell Eisdecken bilden und im Frühjahr bei der Schneeschmelze dann die charakteristischen Überschwemmungen, an die sich die Balten im Lauf der Jahrtausende gewöhnt haben. Wie man weiß, höhlt aber auch der stete Tropfen den Stein. So findet man an einigen dieser gemächlichen Bäche und Flüsse erstaunlich tiefe und wunderschöne Felswände freigelegt, wie etwa im Urtal des Ahja-Flusses in Estland oder im lettischen Gauja Nationalpark. Vor allem die Aufschlüsse von Buntsandstein leuchten von der Sonne beschienen in einer bunten Palette aus Rot- und Brauntönen.
Die Quellen des Baltikums sind ein wahrer Schatz, über den der ausländische Tourist kaum etwas erfährt. Allenfalls die Quellen von Saula (Highlights) stehen da und dort auf dem Programm von Pauschalreisen, da sie nur 30 Kilometer von Tallinn entfernt sind. Die wunderschönen Karstquellen bei Norra (Highlights) im Landesinneren, die mit ihrem türkis schimmernden Wasser und kleinen Sandvulkanen denen von Saula nicht nachstehen, sind fast nur Einheimischen bekannt.
Dabei ist gerade Estland mit seinen geschätzt über 15.000 Quellen (davon rund 200 große) ein Quellen-Eldorado – auch wenn sich viele in den ausgedehnten Sümpfen und Wäldern verstecken und selbst für den Elch schwer zugänglich sind. Der ist mit bis zu 2,3 Meter Schulterhöhe und spreizbaren Hufen mit Schwimmhäuten die Majestät dieser Wildnis und der einzige Hirsch, der auch unter Wasser äsen kann. Seinen Lebensraum teilt er sich mit Wölfen und Bären, Fressfeinden zwar, denen er mit seinen langen Beinen aber zumeist entkommt. So sollte auch der neugierigste Quellensucher sich auf keine Abenteuer einlassen: die Wildnis Estlands ist einzigartig und bezaubernd schön, sie steckt aber auch voller Tücken – was wir selbst erfahren mussten! Wie gut, dass viele der schönsten Quellen zugänglich gemacht sind.
In den letzten Jahren stehen allerdings auch die Quellen des Baltikums unter Dürrestress. Vor allem in Südestland sind viele zeitweise oder vollständig versiegt. Es braucht Monate mit starken Niederschlägen, bis sich die Moore und Grundwasserkörper wieder mit Wasser füllen. Die Alten in Estland sagen, dass der Winter erst aufhört, wenn sich die Brunnen und Quellen wieder mit Schmelzwasser gefüllt haben. Aber wie in vielen Gebieten Europas nehmen auch hier die Niederschläge in den Wintermonaten tendenziell ab. Einzig die artesischen Quellen, die ihr Wasser aus tiefen, unter Spannung stehenden Lagern beziehen, schütten noch zuverlässig und mit geringen Schwankungen.
Manch einer dieser Arteser dürfte schon in grauer Vorzeit als Heilige Quelle, als heilende Quelle verehrt und genutzt worden sein - worüber es allerdings nur selten schriftliche Überlieferungen gibt. Andere Quellen entspringen aus farbigen Sandsteinklüften oder sie sprudeln idyllisch unter bemoosten Steinen hervor. Die überaus naturverbundenen Balten lieben ihre Moore und Gewässer, sie lieben ihre Quellen. Bereist man alte Kultplätze und Heilige Quellen in ganz Europa, so vermittelt sich einem der Eindruck, dass die Rituale alter Naturreligionen und der Schamanismus nirgendwo so stark verwurzelt sind, wie in Lettland und vor allem Estland. In dem kleinen Land wurde schon vor Jahren ein in Europa einzigartiges Monitoring zur digitalen Erfassung von Quellen gestartet, dem sich auch Litauer angeschlossen haben. Alleine in Estland konnten inzwischen rund 1.500 Quellen erfasst werden, 130 davon artesische. Zugute kommen den überwiegend ehrenamtlichen Mitarbeitern ihre guten Naturkenntnisse und ihre digitalen Fähigkeiten. Vorbild ist vielen Gustav Vilbaste, ein Botaniker, Quellenforscher und Naturschützer der ersten Stunde, dessen Werk heute seine Enkelin Kristel Vilbaste fortsetzt.
Mineral- und Thermalquellen sind im gesamten Baltikum hingegen selten. In estnischen Värska am südwestlichen Ende des Peipussees wird in einem Heilbad mit dem Wasser der Värska-Quelle und Heilschlamm kuriert, in einer der litauischen Memelschleifen im Ort Birstonas mit Sole, südöstlich von Riga wurden zu Anfang des 19. Jahrhunderts Schwefelquellen entdeckt, die Jurmala zu einem mondänen Kurort machten. Sucht man nach Thermalquellen, so wird das Angebot noch dürftiger. Man findet sie zwar auf dieser und jener Website erwähnt, landet bei weiteren Recherchen aber bei einer Wellness-Oase - von natürlichem Thermalwasser keine Spur.
Reisen in den Baltischen Staaten
Das Baltikum liegt in einer Übergangszone von ozeanischem und kontinentalem Klima. Die mittleren Temperaturen im Januar liegen bei etwa -5°C (Tiefstwerte an der Küste -30°C, in Südlitauen -40°C), die durchschnittlichen Temperaturen im Juli liegen bei ca. 17°C, wobei im Landesinneren bis 40°C erreicht werden. Wie überall wird es angesichts des Klimawandels auch hier wärmer und trockener, Extremwetterereignisse häufen sich. Geblieben sind die langen Tage im Sommer und die geringe Zahl von Sonnenstunden im Winter.
Reist man überwiegend im Inland, das reich an Wasserflächen und Mooren ist, empfiehlt sich das Frühjahr als Reisezeit. Im April fließt das letzte Schmelzwasser ab, das ganze Landstriche unter Wasser setzen kann, ab Ende Mai nimmt die Zahl der Mücken und Bremsen kontinuierlich zu. Leider haben viele Campingplätze erst ab Juni geöffnet. Die Küsten sind wegen der stetigen Winde von der Mückenplage weitgehend verschont.
Die kulturellen Höhepunkte und Tourismusmagneten sind die drei Hauptstädte Tallinn, Riga und Vilnius, die zum UNESCO Welterbe zählen und zu denen reiches Infomaterial vorliegt. Alle drei Städte sind jung, kulturell lebendig und mit guter Infrastruktur ausgestattet. Wenn das Bezahlen der Parkuhr mit dem Smartphone einmal Probleme macht oder bei Fragen, hilft eine ganz überwiegend freundliche und gut ausgebildete Bevölkerung in zumeist fließendem Englisch gerne weiter. So kann auch der Individualtourist die wunderbaren Städte problemlos erkunden. Die Hansestädte Tallinn und Riga werden bei Ostseekreuzfahrten angelaufen und sind in der Hochsaison nach dem vorübergehenden Einschnitt durch Corona zeitweise überlaufen. Deshalb bemühen sich die drei Länder, mehr Interesse für ihre Nationalparks und großartigen Naturlandschaften zu wecken, um die Besucherströme etwas umzuleiten. Es entstehen neue Camping- und Stellplätze, im Sommer werden urige Holzhütten vermietet.
Tatsächlich finden Naturfreunde an den weitläufigen und abwechslungsreichen Küsten wie auch im Landesinneren alles, was das Herz begehrt – alles, außer schroffen Gebirgen. Wandern ist Volkssport der naturverbundenen Balten und dem wird Rechnung getragen: Sumpfgebiete und Moore sind durch hunderte Kilometer zumeist gut gepflegter Holzbohlenwege erschlossen, oft findet man an dem weiten Wegenetz Aussichtstürme und instruktive Lehrpfade, Hinweisschilder allerdings nicht in gewohnter Dichte. Wo Wege und Pfade fehlen, ist die ursprüngliche Natur unzugänglich. Als Individualreisender sollte man größere Touren gut planen, angemessene Kleidung, ausreichend Verpflegung und Wasser mitführen und sich vor allem in sumpfigem Gebiet nicht von Wegen und Pfaden entfernen. Wer das Land "so richtig" kennenlernen möchte, hat Gummistiefel und ein geladenes Smartphone mit Zugriff auf Kartenmaterial im Gepäck. Auf rund 90% ihrer Fläche haben die baltischen Staaten ausreichenden Empfang, um sich so orientieren zu können – und es soll Menschen geben, die von dem Grad an Digitalisierung mittlerweile entnervt sind. Unwillkommene Begegnungen mit Bär oder Wolf sind äußerst selten. Die Jäger sind scheu und man sieht bestenfalls die Pobacken eines flüchtenden Elchs. Es kann aber nie schaden, vor längeren Touren Informationen einzuholen oder sich auch einer einheimischen Wandergruppe anzuschließen, was zumeist sehr willkommen geheißen wird.
Auf vielen der Gewässer werden Boote verliehen – eine der reizvollsten Arten, die Natur kennenzulernen. Kanufahrten auf den mäandernden Flüssen, die sich teilweise seit der Eiszeit erstaunlich tief in die Landschaft gegraben und dabei herrliche Gesteinsschichtungen aufgeschlossen haben, bieten wunderschöne Eindrücke und oft die einzige Möglichkeit, in die wilde Natur mit ihren sumpfigen und verfilzten Wäldern vorzudringen. Im Vergleich zu den reißenden Bergflüssen der Alpen oder des Balkans sind die Bootstouren ein eher gemächliches Vergnügen - so lange nicht umgestürzte Bäume oder angestautes Holz die Fahrt gefährden. Vor Touren mit dem eigenen Boot sollte man sich hierzu vor Ort unbedingt Auskünfte einholen.
Die Verkehrsinfrastruktur spiegelt die dünne Besiedelung mit vielen Einödhöfen und verstreuten Siedlungen wider. Der öffentliche Personenverkehr in den dichter besiedelten Regionen ist zwar passabel und es werden Überlandverbindungen angeboten. Viele ländliche Regionen sind aber kaum erreichbar und Verkehrsmittel der Wahl ist nach wie vor das Auto. Das Straßennetz ist dem Bedarf angepasst und bietet neben asphaltierten Hauptverbindungsstraßen zehntausende Kilometer zumeist gut gepflegter Schotterstraßen. Fahrverbote gibt es außerhalb der Städte wegen der sehr geringen Verkehrsdichte kaum. Die Schotterstraßen sind fast alle problemlos zu befahren, auch mit Wohnmobil, nur während der Schneeschmelze kann es vereinzelt zu Überflutungen kommen. Wegen der geringen Steigungen und Verkehrsdichte sind die Nebenstraßen ein Eldorado für Genussradler. Während die Zahl der Ladestationen für E-Autos kontinuierlich zunimmt und im Netz abrufbar ist, gibt es für E-Bikes aber noch wenige Ladestationen. Verfügt man über keine autarke Lademöglichkeit, so ist man auf die Stromversorgung am Campingplatz oder am offiziellen Stellplatz angewiesen. Alternativ bittet man an einem Gästehaus um Strom, der gegen ein kleines Entgelt zumeist gerne zur Verfügung gestellt wird. Die Balten begegnen Ihren Gästen ganz überwiegend freundlich und hilfsbereit.
In allen drei baltischen Staaten gilt das "Jedermannsrecht", wonach man auf nicht bewirtschaftetem Land übernachten und Früchte ernten darf. Dabei ist der Lebensraum von Wildtieren zu achten, Geschirr und Wäsche dürfen nur an Land gewaschen werden, um die Wässer nicht zu verschmutzen - was sich von selbst verstehen sollte. Da die meisten Flächen unbewirtschaftet und eben sind, finden sich unzählige Übernachtungsplätze. Wohnmobilfahrer sollten darauf achten, dass der Untergrund trocken ist und sie nicht am nächsten Tag abgeschleppt werden müssen. Außerdem sollte man das großzügige Recht nicht überstrapazieren und nach ein paar Tagen weiterziehen.
Weiterführende Informationen und Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Baltikum
https://www.owep.de/artikel/104-baltikum-kleiner-landeskundlicher-ueberblick
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/242509/kleine-geschichte-der-baltischen-staaten/
https://www.zobodat.at/pdf/Ber-Natwiss-Ver-Bielefeld_SB_2008_0187-0211.pdf
https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalparks_im_Baltikum
https://www.visitestonia.com/de/uber-estland/heilende-quellen-und-bezaubernde-brunnen
https://www.baltikumreisen.de/infos-zum-baltikum/religionen-im-baltikum/
https://www.reise-know-how.de/sites/default/files/9783831719587_rf_az_lettland_11.pdf
https://www.deutschlandfunkkultur.de/baltikum-gottlos-gluecklich-in-estland-100.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Lettland