Kranebitter Innauen
Kranebitter Innauen
Das Geschenk eines breiten Tals, das der Inn im Lauf der Zeit durch die „Alpenrepublik“ gefräst hat, wird ihm heute schlecht gedankt. Seit jeher war das Inntal eines der wichtigsten in den Alpen, von großer wirtschaftlicher wie strategischer Bedeutung. Es hat schon in frühgeschichtlicher Zeit Völkerwanderungen erlebt, später Raubritter und aufblühende Städte. Mit beginnender Industrialisierung hat man den Fluss immer mehr kanalisiert und eingezwängt zwischen Autobahnen, Straßen, Eisenbahnstrecken, notwendige wie auch überflüssige Infrastruktur- und Gewerbebauten. Heute malträtieren Zersiedelung, Bausünden und eine unablässige Blechlawine den Talkessel unterhalb majestätischer Berge.
Bis in die idyllischsten Winkel dringt die Lärmverschmutzung. Auch in die 18 Hektar großen Kranebitter Auen, mit die letzten intakten Innauen in ganz Österreich. So ist der Genuss an dieser paradiesischen Naturlandschaft stark getrübt von den LKW-Karawanen und röhrenden Motorrädern am gegenüberliegenden Ufer. Noch schlimmer trifft es die Völser Auen an der südlichen Flussseite, die direkt an der Autobahnausfahrt Innsbruck-Kranebitten liegen und mit ihren neun Hektar an das Industriegebiet Völs grenzen.
Kranebitter Innauen blau, Völser Innauen margenta
Die Biber, die sich breitgemacht haben in den Auen – überaus breit, wie man an querliegenden Bäumen und frischen Nagespänen bald bemerkt – und die 91 Vogelarten die man gezählt hat, scheinen vom Lärm wenig beeindruckt. Oder sind sie ebenso gestresst vom Lärm wie wir Menschen vom Lärm, leben sie hier nur mangels Alternativen? Die Wanderung wird jedenfalls vom ständigen Wunsch begleitet, die beeindruckende Wildnis nicht nur sehen, sondern auch in all ihren Nuancen ungestört hören zu können. Den vorbeiströmenden Fluss, das Plätschern der zahlreichen Quellen und ihrer Bäche, das Rascheln von Schilf und Blättern, Vogelstimmen.
Ein besonderer Reiz der Kranebitter Innauen liegt in ihrem ungewöhnlich breiten Quellhorizont. Wie an einer Perlenkette reihen sich einige Meter über dem Flussniveau ein gutes Dutzend Einzelquellen und Quellgruppen aneinander. Die einen entspringen aus Felsklüften, die anderen als großflächige Sickerquellen aus dem Waldboden. Ihr Wasser beziehen sie nicht aus Grundwasser, wie der nahe Fluss mit seinem Schotterbett vermuten ließe, sondern aus dem Karwendelgebirge, das sich nördlich mit steilen Wänden auftürmt.
Im nördlich gelegenen Paralleltal in etwa 13 Kilometer Entfernung beziehen auch die Isarquellen ihr Wasser aus diesem Gebirgsstock. Die nur fünf Kilometer entfernten Mühlauer Quellen versorgen die Stadt Innsbruck zu 95% mit Wasser aus dem zerklüfteten Kalkgestein des Karwendel. Man fängt es in langen Stoffen auf, die man in den Berg getrieben hat.
Trinkwasserstollen der Mühlauer Quelle Foto:IKB
Das Wasser der Quellen zeichnet sich durch die lange Verweildauer im Berg aus (zum Teil über zehn Jahre), wodurch es gut gereinigt wird. So kommt es auch nach Starkregen glasklar mit einer konstanten Temperatur von 4,5°C aus dem Berg. Die Wasserhärte „weich“ bis „mittelhart“ (6–8° dH) ist im Vergleich mit anderen Wässern aus Karstgebieten auffallend niedrig.
All die Quellen in den Kranebitter Innauen tragen den Namen Meilquelle. Mal findet man sie durchnummeriert, mal mit Buchstaben versehen Meilquelle A, Meilquelle B, Meilquelle C, Meilquelle x. Zu den Auquellen kommt noch das kleine Meilbründl 150 Meter westlich des Parkplatzes (47.264617, 11.300467) an der B171, von dem aus man die zwei Kilometer lange Wanderung entlang des Inns beginnt. Die Quellen werden als eine Großquelle betrachtet und stehen mit ihrer Gesamtschüttung von 50-300 l/s hydrologisch unter Beobachtung. Das Wasser mehrerer Quellen (Quelle, Hawalquelle) sammelt sich jeweils in Bächen, die westlich kurz dem Inn zufließen, weiter östlich hingegen einen Bach bilden, der parallel zum Inn verläuft und dann einen größeren Teich bildet. In dessen mit Sedimenten bedecktem Kiesboden scheint das Wasser zu versickern - ein oberirdischer Abfluss ist jedenfalls nicht zu sehen.
Im Jahr 1988 wurde die Kranebitter Innau als „Naturschutzgebiet“ ausgezeichnet. Aufgrund zahlreicher Auseinandersetzungen wurde dieser hohe Schutzstatus 1993 aufgelöst und das Gebiet als „Geschützter Landschaftsteil mit Betretungsverbot“ ausgewiesen. Da dieses Betretungsverbot jedoch wiederum viele Konflikte hervorrief, einigte man sich 2005 auf ein „Sonderschutzgebiet“ mit Betretungsverbot vom 1. Februar bis 1. Juli zum Schutze der Vogelwelt. Leider wird das Gebiet immer wieder als „Party-Meile“ missbraucht und vermüllt. Verlaufen kann man sich in dem schmalen Streifen nicht. Teilweise führen mehrere Wege parallel. Hangseitig hin liegen die Quellen, zu denen jeweils kurze Stichpfade abgehen, der Uferweg führt vorbei an kleinen Sand- und Kiesbänken. So wäre dies nicht nur eine überaus abwechslungsreiche, sondern für Naturfreunde geradezu paradiesische Wanderung, wenn, ja wenn nur dieser permanente Lärm nicht wäre...
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