Vermoshtal
Tal des Vermosh
War das abgelegene Tal des Flusses Vermosh im äußersten Norden von Albanien vor einigen Jahren noch ein "Geheimtip" unter Balkanfahrern, so ist es - ebenso wie die benachbarte Hochebene um den montenegrinischen Ort Gusinje - durch den Ausbau der Straße vom Skutarisee seit 2016 etwas mehr ins Zentrum des touristischen Geschehens gerückt. Trotzdem findet man hier oben noch immer überwiegend Individualreisende und auch die in überschaubarer Zahl.
Das wunderschöne Tal und die verstreute Siedlung, die vom Fluss Vermosh (albanisch auch Vermoshi) ihren Namen erhalten haben, liegen auf etwa 1.000 Meter Höhe am nördlichen Rand des Gebirgsstocks Prokletjes. Der Fluss sammelt das Wasser aus zahlreichen Gebirgsbächen in dem breiten Schotterbett am Grund des Tals, das ursprünglich Gletscher in das Kalksteingebirge gegraben haben. Unter verschiedenen Namen fließt das Wasser des Vermosh (albanisch: Lumi i Vermoshit) dann durch Montenegro und dort in den Plavsko Jezero, in dem sich auch die zahlreichen anderen Fließgewässer der umliegenden Gebirge sammeln. Zusammen fließen sie als Fluss Lim dann 220 Kilometer weit nach Visegrad, wo sie schließlich in die Drina münden.
Direkt an dieser Mündung liegt die berühmte Brücke über die Drina, die seit 2007 zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Ihr hat der jugoslawische Schriftsteller Ivo Andric mit seinem grandiosen Roman "Die Brücke über die Drina" ein Denkmal gesetzt, für das er im Jahr 1961 den Literaturnobelpreis erhielt. Der Roman liefert ein wunderbar lebendiges Bild der überaus bewegten Geschichte des Balkans und ist nicht nur für historisch Interessierte eine unbedingte Leseempfehlung!
Doch zurück zu den sanft geneigten Ufern des Vermosh Tals, zu seinen hoch bewaldeten Bergflanken und Gipfeln, die bis weit ins Frühjahr mit Schnee bedeckt sind. Im Winter werden selbst unten im Tal des Vermosh rund 100 Tage mit Schnee gezählt und im Januar liegt die Durchschnittstemperatur bei -3°C. Angesichts des alpinen Klimas und der kargen Böden wurde die Gegend erst im 19. Jahrhundert nennenswert besiedelt. Danach durchlebte das so abgelegene Tal eine bemerkenswerte bewegte Geschichte - mal als Enklave, mal umkämpft oder Verhandlungsmasse, dann wiederum in vollkommener Abgeschiedenheit. Die Straßenverbindung über den Rapsh-Pass nach Kelmend existierte erst seit 1968.
So war man es hier oben gewohn, sich weitestgehend selbst zu versorgen. Früher wurde fast nur extensive Weidewirtschaft betrieben, im Sommer auch auf einigen unbewohnten Almen oberhalb des Tals. Dazu gab es etwas Acker- und Gemüsebau. Von den Frauen wurden zahlreiche Pflanzen und Wildkräuter der Gegend gesammelt. Inzwischen findet man eine einfache touristische Infrastruktur mit teils sehr hübschen Gästehäusern, Einkaufsmöglichkeit und einem kleinen Gesundheitszentrum.
Am schönsten ist das Tal mit dem Rad zu erkunden. Eine etwa 18 Kilometer lange Tour (einfache Strecke) führt mit mäßigen Steigungen von den Ali Pascha Quellen südöstlich des montenegrinischen Ortes Gusinje bis zum Ende des Vermosh Tals. Die Straßen hier oben sind noch immer so wenig befahren, dass der Kraftverkehr kaum stört. Der Weg führt durch herrliche Berglandschaften über weite Strecken entlang des noch weitgehend naturbelassenen Vermosh, vorbei an Wasserfällen und durch idyllische Siedlungen. Der Grenzübertritt ist problemlos, wenn man seinen Pass mitführt.