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Die Heilige Odila und ihre Augenquellen

 

 

 

Auf kein Sinnesorgan ist der Mensch so stark angewiesen wie auf seine Augen. Bei Blindheit und stark eingeschränktem Sehvermögen hängt sein Überleben wesentlich von dem sozialen Kontext ab, in den er eingebunden ist.

Bei Erdmännchen konnte man beobachten, dass ihr Gemeinschaftssinn so stark ausgeprägt ist, dass sie auch blind geborene Junge in ihre Gruppe einbeziehen und für ihr Auskommen sorgen. Im klassischen Altertum wurden Blinde wie Homer oder Teiresias als Seher und Propheten verehrt. Die Herzogstochter Odilia (auch Odilie, Odile oder Ottilie) wurde um 660 hingegen in eine dunkle Zeit geboren, in der Blindheit stigmatisiert und als Strafe Gottes verstanden wurde. Ihr Vater Eticho wollte sie wegen ihres fehlenden Sehvermögens töten lassen, Odilias Mutter Bersinda gelang es aber, ihr Kind in einem Kloster unterzubringen.

Obwohl die durchschnittliche Lebenserwartung früher sehr viel geringer war als heute (für die Steinzeit nimmt man gut 30 Jahr an, für das Mittelalter etwa 40 Jahre) waren Augenkrankheiten weit verbreitet und die Augenheilkunde noch wenig entwickelt. So waren Blindheit und Augenleiden Gebrechen, mit denen zumal Menschen aus dem einfachen Volk sich an höhere Mächte wandten. Zumeist litten die Menschen weniger an Altersdegenerationen des Auges als an Bindehautentzündungen, der in schriftlichen Quellen häufig erwähnten "Triefäugigkeit" (mhd. oeckdroppich, drieffen ougen, augenfiltzig), dem "schiefen Blick" (Schielen) oder dem "blöde Gesicht" (Kurzsichtigkeit). Viele Erkrankungen auch der Augen waren Folge des Rauchs, der in den Behausungen durch das Verfeuern von Holz entstand.

Heilige Quellen waren nicht nur Orte, an denen man mit den göttlichen Wesenheiten in Kontakt trat, sondern auch ihr Wasser besaß bei der Linderung von Augenleiden seit jeher einen hohen Stellenwert. Einer der ältesten bekannten Augenbrunnen ist der von Bad Pyrmont, der zusammen mit dem "Hylligen Born" und dem "Brodelbrunnen" schon vor 2000 Jahren und früher als heiliger Brunnen verehrt wurde. Das zeigen zahlreiche Opfergaben, die hier wie auch an anderen Augenbrunnen gefunden wurden. Der Augenbrunnen der Wallfahrtskirche St. Valentin (48.254167, 13.054233) in Haselbach bei Braunau etwa wird als eines der ältesten Quellheiligtümer Österreichs angesehen. Weitere für die vorchristliche Zeit nachgewiesenen Augenbrunnen sind in fast ganz Europa zu finden, viele von ihnen in der Bretagne und in Irland.

Odilia wurde im Alter von zwölf Jahren von dem Wanderbischof Erhard von Regensburg im Elsass getauft und erlangte der Legende nach durch die Benetzung ihrer Augen mit dem geweihten Wasser ihr Sehvermögen. Sie kehrte zu ihren Eltern zurück, musste zunächst aber erneut vor ihrem Vater Herzog Eticho fliehen und sich in einer Höhle verbergen. Später versöhnte sie sich mit ihm und er übertrugt ihr daraufhin den späteren Odilienberg im Elsass als Besitz. Dort gründete sie gegen 690 an einem heiligen Brunnen (48.434900, 7.403967) das heutige Kloster Niedermünster, als dessen Äbtissin sie gegen 720 starb.

Das Kloster ist noch heute einer der bekanntesten Wallfahrtsorte in Frankreich und wird besonders häufig von Menschen mit Augenleiden aufgesucht, deren Schutzheilige und Patronin Odilia aufgrund ihrer eigenen Lebensgeschichte wurde. Auf Abbildungen erkennt man die Heilige oft an zwei Augen, die sie in einer Schale hält oder die auf den zwei Seiten eines aufgeschlagenen Buches abgebildet sind. Bis heute findet Odilia an ihrem Todestag, dem 13. Dezember, in der katholischen wie orthodoxen Kirche ein besonderes Gedenken.

Die frühen Kirchenvertreter führten einen erbitterten doch weithin vergeblichen Kampf gegen die heiligen Quellen und Ritualplätze aus vorchristlicher Zeit - galten sie doch als Brutstätten heidnischen Götzentums. Manche Traditionen der Völker ließen sich trotz fortschreitender aber Christianisierung nicht ausrotten. Es war Papst Gregor der Große, der dies um das Jahr 600 - also rund 120 Jahre vor Odilias Tod - als erster in Worte fasste: Nach langer Überlegung habe er erkannt, dass es besser sei, heidnische Stätten in christliche Kirchen umzuwandeln als sie zu zerstören. Es sei nämlich unmöglich, "diese rohen Gemüter mit einem Schlage von ihren Irrtümern zu reinigen. Wer die Spitze eines Berges erreichen will, steigt nicht in Sprüngen, sondern Schritt für Schritt“.

 

Dieser Paradigmenwechsel hatte auch Auswirkungen auf die vorchristlichen Augenbrunnen. Im Lauf der Jahrhunderte wurden viele von ihnen der Heiligen Odilia und anderen christlichen Leitfiguren gewidmet, mit Kirchen, Kapellen oder auch einfachen christlichen Symbolen versehen. Bekannte Ottilien- oder Odilienquellen befinden sich bei Freiburg (radonhaltiges Wasser) (48.003117, 7.899233), bei Losheim der Augenborn (49.463383, 6.796283), die Paderborn (51.726850, 8.742217), eine Ottilienquelle bei Coburg (50.324933, 11.134550) oder eine bei Rutsweiler am Glan (49.527453, 7.470156). Für einige von ihnen, etwa den Brunnen in der evangelischen Ottilienkapelle in Plochingen, nimmt man an, dass sie bereits in vorchristlicher Zeit als Quellheiligtum verehrt wurden.

Manche der in alten Schriften erwähnten Augenbrunnen sind heute versiegt, die Stätten christlicher Symbolik verfallen. So etwa beim historischen Augenbrunnen im österreichischen Lockenhaus mit den Ruinen der Kapelle des Hl. Augustin, zu der noch bis in die 1930er Jahre zu Peter und Paul Bittprozessionen abgehalten wurden. Allerdings hatte gegen Ende der 1850er Jahre ein Graf Strachwitz unweit der Kapelle auf der Suche nach Erzen einen Schacht bohren lassen, der später zusammenfiel, was zum Versiegen der Quelle geführt haben dürfte. Oder der ehemalige Brunnen der heiligen Ottilie in Suhl (50.613233, 10.692083). Auch an ihn erinnert heute nur noch eine Kapelle.

Im Randegg im Hegau wird das Mineralwasser einer Ottilien-Quelle vertrieben, an der es früher auch einen Badebetrieb gab.

Neben den "Frauenbründln", die bei Frauenleiden und Kinderlosigkeit aufgesucht wurden und Heilbrunnen, von denen man sich Linderung der unterschiedlichsten Krankheiten von Körper und der Seele versprach, gehören "Augenbründl" noch heute im Volksglauben zu den am häufigsten verehrten Quellen. Allein im Alpenraum und den deutschsprachigen Ländern dürfte es hunderte von ihnen geben. Ihr Wasser wird getrunken und es dient zu Augenwaschungen.

Dabei hat der Begriff des "Augenbrunnens" auch eine hohe symbolische Bedeutung die heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist: Wie im Zusammenhang mit den Heiligen Quellen in Oberösterreich ausgeführt wird steht das Auswaschen der Augen seit jeher auch für jene spirituelle Reinigung mit der das "innere Auge" geöffnet wurde um Zugang zu den höheren Wesen in einer jenseitigen Welt zu finden.+

 

Heiligenlegende: Heilige Ottilie

Der Augenbrunnen Augustinerbrunnen in Lockenhaus