Oberösterreich und seine Heiligen Quellen
Die Ursprünge
Überall auf der Erde wo die Menschen alter Kulturen mit Quellen in Kontakt gekommen sind wurden einige von ihnen als Orte kultischer Handlungen und spiritueller Reinigung verehrt. Die Menschen brachten dem Wasser Ehrfurcht entgegen, nicht nur weil sie es als Voraussetzung für alles Leben erkannten, sondern auch weil es sie mit den Sphären höherer Wesenheiten verband.
Viele der verehrten "Heiligen Quellen" Europas haben ihren Ursprung weit in vorchristlicher Zeit. Einige waren wahrscheinlich schon in der Frühzeit der Menschen Ritualplätze. Oft liegen sie an Orten die wir heute als mystisch oder geheimnisvoll wahrnehmen, tief in Wäldern (die damals sicherlich noch sehr viel tiefer waren), in Schluchten oder selbst in luftiger Gebirgshöhe. Kaum eine liegt hingegen auf dem Boden historischer Siedlungen. Hier versorgte man sich aus "normalen" Quellen oder auch aus Bächen mit Wasser.
Die Heilige Quelle hingegen stand außerhalb des Alltags, "man machte sich auf den Weg zu ihr" in freudiger Erwartung eines spirituellen Erlebens oder Rituals, in Demut, in der Hoffnung auf Heilung, innere Reinigung oder eine günstig lautende Weissagung. Selbst Fehden sollen an diesen Plätzen beigelegt, Verträge besiegelt worden sein. Versiegte eine Heilige Quelle so galt das als schlechtes Omen, entsprang eine neue so wurde sie dankbar in den Kosmos eines damals ganzheitlichen und stark naturbezogenen Weltbildes aufgenommen.
Wie aber wurde eine Quelle zur Heiligen Quelle, was zeichnete sie vor anderen Quellen aus? Auffallend ist, dass viele von ihnen artesisches Wasser aus großen Tiefen an die Erdoberfläche führen, manche wurden später aufgrund besonderer Inhaltsstoffe wie Radon oder bestimmter Mineralienzusammensetzungen auch als Heilwässer analysiert. Von einigen wird erzählt, dass sie durch die Beobachtung kranker Tiere als heilsam erkannt wurden, die sich erholten, wenn sie hier tranken.
Man muss kein Esoteriker sein um den urzeitlichen Menschen in ihrer intensiven Naturverbundenheit eine höhere Resonanzfähigkeit mit dem Wasser einzuräumen als wir heutige Menschen sie haben - einen ähnlichen "Spürsinn" für Bekömmliches und Unbekömmliches wie man ihn bei Wildtieren beobachtet. Selbst mancher Hund trinkt lieber Wasser aus einer Quelle, einem Bach oder selbst einer Pfütze als das "hygienisch einwandfreie" aus der Leitung.
Die frühe Kirche tat sich schwer mit den alten Quellritualen die nach der Christianisierung - in allenfalls etwas umgedeuteter Form - weiter praktiziert wurden. Sie bekämpfte die "heidnische" Quellverehrung, konnte sie jedoch nicht eindämmen. Es war Papst Gregor der Große der um das Jahr 600 erkannte dass es besser sei die Heiligen Quellen in christliche Andachtsstätten umzuwandeln als ihre Verehrung weiterhin als Götzendienst zu bekämpfen. Doch es dauerte noch 500 Jahre bis Quellkultstätten zunehmend eine neue, christliche Deutung gegeben wurde.
Eine besonders hohe Dichte an solchermaßen christianisierten Heiligen Quellen aber auch christlichen Bildstöcken und Andachtsstätten findet man heute in Oberösterreich, angrenzenden Gebieten des Salzburger Landes und Bayerns - in traditionell katholisch geprägten Gebieten also. Sucht man hingegen in Gegenden nach "Heiligen Bründln" in denen reformierte Glaubensrichtungen über einen längeren Zeitraum Einfluss hatten, etwa im benachbarten Tschechien, so sind sie dort spärlich gesät. Rituale einer opulenten Volksfrömmigkeit wie Wallfahrten oder Heilzeremonien an Quellen gehörten ebenso wenig in das Repertoire der Reformierten wie Verschwendungssucht, Ausschweifung oder Ablasshandel. Viele der Heiligen Quellen und Wallfahrtsorte in reformierten Gegenden gerieten damals in Vergessenheit und nur wenige blühten wieder auf, wenn später der Katholizismus dort erneut die Oberhand gewann.
Im 18. Jahrhundert setzte das Zeitalter der Aufklärung den Wallfahrtskirchen und ihren Heiligen Quellen nochmals zu: vieles fiel damals den neuen Ideen von Vernunft, Wissenschaftlichkeit und einem mündigen Staatsbürgertum zum Opfer - manches zu Recht, anderes aus heutiger Sicht als schmerzlicher Verlust kultureller Güter. Dass sich die meisten Bründlkapellen und Wallfahrtskirchen in Oberösterreich damals behaupten konnten ist wohl darauf zurückzuführen, dass das Gedankengut der Aufklärung dort nur "auf Sparflamme" köchelte und sich der konservative Katholizismus so in den meisten seiner Traditionen behaupten konnte.
Reisen in Oberösterreich
Oberösterreich wird von Westen nach Osten von der Donau durchflossen. Während das Bundesland südlich des Stroms eher sanft hügelig ist und nur wenige Höhenzüge über 650 Meter Höhe ansteigen zeigt es nördlich der Donau ein ausgeprägteres Landschaftsprofil mit tief eingeschnittenen Tälern. Der höchste Berg im österreichischen Böhmerwald ist hier der 1.378 Meter hohe Plöckenstein am Dreiländereck.
Die Siedlungsstruktur Oberösterreichs ist noch heute bäuerlich geprägt und weist nur wenige größere Orte auf, die sich in jüngerer Zeit allerdings durch zahlreiche neue Wohnhäuser schnell vergrößern. Das Bundesland mit seiner Hauptstadt Linz und einer kontinuierlich wachsenden Bevölkerung gilt mittlerweile als eine der dynamischsten Wirtschaftsregionen Österreichs. Und es wird von vielen wegen seiner Lebensqualität geschätzt: Die Hochflächen und Täler sind zu über 40% mit Wäldern bedeckt, die Landschaft hat mit der Donau und ihren Seitentälern große Reize und manches kulturelle Kleinod zu bieten.
Mit Ausnahme der Gegend um Linz geht es noch recht gemächlich zu. Selbst auf den Hauptverbindungsstraßen ist das Verkehrsaufkommen überschaubar. Die verstreut gelegenen Weiler und bäuerlichen Anwesen - unter denen gerade südlich der Donau viele stattliche Vierkanthöfe sind - werden von oft einspurigen "Wirtschaftswegen" erschlossen die das Land wie ein Netz überziehen.
Urlaub macht hier wer die Ruhe liebt, gerne in hügeligem Gelände wandert oder auf kurvigen Wegen und schönen Panoramastraße Rad fährt - gerne mit E-Bike denn die Höhen die man zurücklegt sind beachtlich! Die überraschend hohe Zahl an Gasthöfen die bis in den letzten Winkel zu finden sind bieten überwiegend gutes und preiswertes Essen. Übernachtungsmöglichkeiten, Camping- und Stellplätze sind weniger überlaufen als in den touristischen Hotspots Österreichs.
Das Wasser
Obwohl die hydrogeologischen Verhältnisse oberhalb der tiefen Sockel aus Gneis und Granit recht unterschiedlich sind fällt diesseits wie jenseits der Donau die geringe Zahl natürlicher Quellen auf. Lediglich entlang der Salzach bis nach Braunau findet man teils recht kräftige frei fließende Quellen, einige von ihnen Limnokrenen oder auch ausgedehntere Quellhorizonte. Im übrigen Land sind die Quellen fast ausnahmslos gefasst. Viele versorgen noch heute die Gehöfte als Eigenbrunnen. Größere Ortschaften beziehen ihr Wasser hingegen zumeist aus Tiefbrunnen, weil nur wenige der Quellen eine ausreichend schütten um sie für die Versorgung von Gemeinden zu nutzen.
Die Bäche und Flüsse haben teils tiefe Gräben in die Landschaft gefurcht. Sie präsentieren sich überwiegend in dunklen Farben die von den eher dunklen Gesteinen in ihren Betten, teils aber auch von Sedimenten und Huminstoffen aus Mooren herrühren. Der Name der Flüsse Große Rodl und Kleine Rodl beispielsweise dürfte auf das keltisch "roudos" (rot) zurückgehen das die rötliche Färbung des Granitgesteins im Flussbett charakterisiert. Obwohl das Wasser nicht den glasklaren Charakter hat wie etwa in den Kalkalpen ist es doch so reich an Sauerstoff, dass in einigen der Flüsse unterhalb ihren Quellen Bachforellen und unsere Salmoniden leben.
Viele der Fließgewässer im Mühlviertel sind noch naturbelassen, abschnittsweise auch unzugänglich und wild. Da sie ein beachtliches Gefälle aufweisen wurden unzählige Mühlen an ihnen betrieben von denen heute da und dort noch eine erhalten ist. Die Stadt Reichenthal etwa hat mit einem schönen 14 Kilometer langen Wanderweg (ttps://www.oberoesterreich.at/oesterreich-tour/detail/430002099/10-muehlen-wanderweg-reichenthal.html) zehn von ihnen erschlossen, zwei davon noch in Betrieb. Das Granit- und Gneishochland nördlich der Donau hat von den drei Flüssen Große Mühl, Kleine Mühl und Steinerne Mühl seinen Namen erhalten: Mühlviertel oder Mühlkreis.
Nach größeren Seen sucht man vergebens. Auf den Feldern und an Waldrändern findet man lediglich Teiche von denen viele sehr trübes Wasser haben, von Wasserlinsen und Algen bedeckt und von Ried umstanden sind. Früher dienten sie als Wasserspeicher, zur Fischhaltung oder als Löschteiche, heute haben sich viele zu kleinflächigen Biotopen entwickelt.
Heilige Bründl und Heilquellen
Einer der größten Freunde der Quellen des Böhmerwalds war der Schriftsteller Adalbert Stifter (1805 - 1868). Er suchte wiederholt die Karlsbader Quellen im heutigen Tschechien auf um seine angeschlagene Gesundheit zu kurieren, unternahm aber auch umfangreiche Wanderungen zu Quellen in den Wäldern Oberösterreichs deren Wasser er - gerade wegen des Ursprungs im Böhmischen Urgestein - große Heilwirkung zuschrieb. Heute findet man allerorts Gedenktafeln, Wanderwege und Quellen die an den Dichter erinnern.
Dass heute so viele der alten Heiligen Quellen auch Oberösterreichs als "Augenbründl" bezeichnet werden hängt wohl weniger damit zusammen, dass die Bevölkerung früher an übermäßig vielen Augenkrankheiten litt. Sicherlich waren die verrauchten Katen und schlechten Lichtverhältnisse den Augen nicht zuträglich. An Heiligen Quellen suchte man aber seit vorchristlicher Zeit die Verbindung mit den höheren Mächten. Um in sie eintreten zu können waren Rituale der inneren und äußeren Reinigung und Ehrerbietung notwendig. In dieser Tradition dürfte das überlieferte Auswaschen der Augen - das viele Bründlbesucher heute noch praktizieren - vor allem als symbolische Reinigung zu verstehen sein mit der das "innere Auge" geöffnet wurde.
Das Wasser der Heiligen Quelle stellte in der christianisierten Welt die Verbindung mit der Jungfrau Maria und den Heiligen her, deren Gnade und Fürsprache in einer jenseitigen Welt man erbat. Die Wundertätigkeit der Heiligen Quellen stand also in engem Zusammenhang mit den Menschen die hierherkamen. Mit ihrem Glauben, ihrer Andacht, der Kraft ihrer Gedanken und Gefühle. Das Wasser, dessen Heilerfolge in zahllose Votivtafeln dokumentiert sind, mag in seinen Parametern unauffällig sein - wirksam war es doch. Der eine sieht das als Placebo-Effekt der andere übt sich so weit in Bescheidenheit, dass er dem Wasser Eigenschaften zugesteht die wir nach heutigem Stand noch nicht messen können.
Bei anderen Quellen die schon früh zu Heilzwecken besucht wurden sind hingegen Inhaltsstoffe nachweisbar die sie zu Heilquellen im heutigen Wortsinn machen. Vor allem ist das Edelgas Radon ist hier auf dem Urgestein des Böhmerwalds recht häufig im Wasser gelöst, etwa beim Badgrabenbrunnen in Tragwein oder dem Hedwigsbründl in Bad Zell. Dabei ist die Beobachtung interessant, dass Radon weder zu sehen noch zu schmecken ist, seine heilsame Wirkung aber an die genau richtige Menge gebunden ist. Und tatsächlich landeten unsere Vorfahren auch ohne Analyseverfahren die richtigen Treffer: man suchte eben jene Quellen mit einem geeigneten Radongehalt auf. Wie den Bründln wurde auch ihnen ein Heiliger zugesprochen, auch hier brachte man Gedenktafeln an, errichtete man Kapellen oder später stattliche Wallfahrtskirchen.
Wenn Wasser Heilung und Linderung brachte wurde nicht nach dem Warum gefragte - was zählte war die Wirkung, die Gnade des Wunders. Man kam in dem Glauben an die Quelle und zu den einfachen Badehäusern die an einigen von ihnen standen, dass einem geholfen würde, wenn man der Hilfe denn würdig sei. Dafür musste man mit einem Pilgermarsch, andächtigen Gebeten und einem möglichst kräftigen Obolus an die Kirche erst einmal Buße tun, sich bereit machen für die Gnade.
Die meisten der in Oberösterreich sehr zahlreiche christliche Quellheiligtümer und Wallfahrtsstätten waren von nur lokaler Bedeutung. Bei anderen zeugen prunkvolle Kirchen von den reichlichen Opfergaben der Pilger. Der wirtschaftliche Faktor der Pilgerfahrten war damals schon erheblich - ein florierender Wallfahrtsort war ein einträgliches Geschäft und wurde als Pfründe gehandelt.
Die unzählige kleine Bründl erhielten ihre Materl und Kapellchen indes von gottesfürchtigen Menschen aus der Umgebung und die offizielle Kirche machte wenig Aufhebens von ihnen. Einen Gottesdienst gab es allenfalls am Patrozinium oder an einem Marienfeiertag. So hoch war die Dichte solcher Bründl, dass jede halbwegs rüstige Austragsbäuerin den zumeist wenige Stunden dauernden Fußweg dorthin bewältigte. Erst wenn Wunder oder Heilerfolge dem Bründl einen zunehmenden Pilgerstrom einbrachten, wenn vielleicht sogar ein kleines Badehaus errichtet wurde wo die Pilger ihre desolaten Knochen im warmen Wasser kurieren konnten, trat es ins Rampenlicht der Kirche.
Viele dieser Heiligen Quellen sind mittlerweile versiegt, ihr Wasser wurde kanalisiert oder sie sind aus anderen Gründen in Vergessenheit geraten. Bei einigen hat die Wasserqualität in den letzten Jahrzehnten anscheinend stark nachgelassen. Wenn an manchen ist eine Hinweistafel "KEIN TRINKWASSER" angebracht ist meint das allerdings zumeist nur, dass das Wasser keiner regelmäßigen Analyse unterzogen wird.
Trotz allem ist die Bründlkultur hier in Oberösterreich und im angrenzenden Bayern heute noch so lebendig wie kaum wo sonst. Oft sind es gerade die kleinen Brunnenkapellen an abgelegenen und zauberhaften Orten zu denen die Menschen regelmäßig kommen um sich Wasser zu holen, ihre Augen auszuwaschen oder einfach nur in Andacht innezuhalten.
Heilige Quellen und Ihre Wirkung in Oberösterreich