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Macht man sich im Netz auf die Suche nach Anleitungen zum Fotografieren von Wasser, wird man schnell fündig. Auf zahlreichen Seiten geben Profis Hinweise zu Belichtungszeiten, mit deren Hilfe man die Oberflächen von fließendem Wasser, Wasserfälle oder Springbrunnen je nach Geschmack einfrieren oder weichzeichnen und glätten kann.

 

Bildquelle: ifolor.de

 

Man erhält Tips zu Filtern, um das Weiß der Gischt oder das Gleißen von Schneeflächen zu dämpfen, unliebsame Spiegelungen zu verringern, man erfährt viel zum Weißabgleich der Kamera, über Stative, Bildbearbeitung usw. Unzählige Profis und Hobby-Fotografen halten Wasserlandschaften und Wasser in großartigen Bildern fest, sie überraschen uns mit dem geheimen Treiben von Wassertropfen. Wo in der analogen Fotografie jede Auslösung genau überlegt sein wollte (was auch seine Vorteile hatte), da sind heute digitale Kameras ein kostengünstiges Instrument, um in Einzelbildern oder Sequenzen „Zufallsfunde“ zu machen, Eigenschaften des Wassers zu entdecken, die dem Auge verborgen sind.

 

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Bildquelle: martinweiand.de

 

Vorweg: ich selbst habe weder eine fotografische Ausbildung noch nennenswerte Kenntnisse in der Bildbearbeitung, fotografiere mit einer digitalen Mittelformatkamera, vorne drauf ein lichtstarkes Vario-Objektiv mit Polarisationsfilter. Da ich mich (samt Kamera) schon wiederholt im Wasser „versenkt“ habe, bin ich seit Jahren ohne weiteres Equipment und Stativ unterwegs. Ratschläge über die Technik des Fotografierens zu geben, überlasse ich gerne anderen. Mich selbst interessiert in erster Linie das Wasser - die Fotos sind im JPG-Format aufgenommen und allenfalls gering bearbeitet.

Für manches Phänomen, das ich ablichte, hat die Wissenschaft noch keine Erklärung. Für andere hat sie Erklärungen, die in der Forschung weiter verfeinert, möglicherweise in Zukunft aber auch revidiert werden. Denn Wasser ist immer gut für Überraschungen, wie unter anderem seine zahlreichen „Anomalien“ zeigen, von denen bis heute immer noch neue entdeckt werden.

 

Am Anfang war das Licht

 

Wasser, seine Moleküle und Cluster (Zusammenballung von Molekülen) werden in der Wissenschaft als isotrop beschrieben, mit Eigenschaften, die im Raum keine bestimmte Richtung einnehmen. Wasser und die sichtbaren Spektren von Licht begegnen sich, bis in der aphotischen Zone in Tiefen von bis zu 150 Metern schließlich auch das blaue Licht durch Streuung und Absorption aufgebraucht ist.

Flüssiges Wasser ist selbst dann, wenn wir es als vollkommen ruhig wahrnehmen, in ständiger Bewegung. Es bildet Mikrowirbel und andere winzige Bewegungen, die schwer messbar und zum Teil vielleicht sogar noch unbekannt sind. Vom Auge werden solche Bewegungen allenfalls als leichtes Glitzern, als Schimmer wahrgenommen – oder auch gar nicht. Das liegt zum einen daran, dass die meisten Bewegungen viel zu schnell ablaufen, als dass unser Gehirn ihnen folgen könnten. Zum anderen fehlt dem Menschen – im Gegensatz zu manchen Insekten, Fischen, Vögeln oder Reptilien – die Wahrnehmung von polarisiertem Licht.

Die Kamera eröffnet uns mit Hilfe kurzer Verschlusszeiten einen Teil dieser permanenten Interaktionen von Wasser und Licht, macht den Einfluss der Adsorption, Streuung und Brechung des Lichts im Wasser sichtbar. Der Polarisationsfilter reduziert nicht nur unerwünschte Reflexe, sondern er ermöglicht es auch, über Farbspektren ganz neue Aspekte von Wasser kennenzulernen. Er kann die Spektralfarben von Regenbogen, die sich breit und mächtig über das Landspannen, sowohl zum Strahlen bringen wie auch verschwinden lassen.

 

 

 

Vor allem aber macht er Spektralfarben auch dort sichtbar, wo sie dem Auge verborgen bleiben, etwa auf Eis.

 

 

 

Durch die Kameraposition wird der Fotograf selbst zum Bestandteil der Interaktion von Wasser und Licht. Minimale Änderungen des Einfallswinkels von Licht können das Farbspektrum grundlegend ändern.

 

 
 
 

Schon ein kleiner Schritt zur Seite oder Fotografieren in der Hocke können ganz unterschiedliche Farbenspiele erzeugen, wie bei dem Motiv unten, bei dem sich blauer Himmel und schräg einfallende Abendsonne auf Eis spiegeln.

 

 

 

 

Andere Formen der Interaktion von Licht und Wasser, die uns normalerweise verborgen bleiben, weil sie zu schnell ablaufen, werden mit Hilfe der kurzen Verschlusszeiten einer Kamera sichtbar.

 

Spritzwasser an der Peripherie eines Wasserfalls
 

Lichtspektren in einem glasklaren Karst-See, der dem Auge fast bewegungslos erscheint, lassen das Wasser als eine Art „Flüssigkristall“ erscheinen

 

Macht man sich also mit der Kamera auf den Weg, lernt man viel über die faszinierend vielfältigen Erscheinungsformen und formgebenden Kräfte von Wasser und Eis, über seine Interaktion mit dem Licht. Je mehr man sich seinem Motiv nähert, umso mehr wird man zum Teil des Bilds. Am stärksten erfährt man sich als Subjekt, wenn man mit Gummistiefeln oder Wathose im Wasser ist, dessen Bewegungen beeinflusst und Schlamm aufwirbelt, wenn man mit einem unachtsamen Schritt sein filigranes Motiv zerstört.

 

 
 

Ihre Grenzen findet die herkömmliche Fotografie dort, wo die Bewegungen mikroskopisch klein sind und/oder so schnell ablaufen, dass sie selbst von der Kamera nicht mehr erfasst werden können.

Bei stark verschatteten Gewässern, in Morgen- und Abendstunden und an düsteren Tagen steht wenig Licht zur Verfügung. Die Variablen um damit umzugehen sind Belichtungszeit, Blende, ISO-Zahl und - wo möglich - der Wechsel zu einem lichtstärkeren Objektiv. Auf Blitzlicht reagiert Wasser in der Natur hingegen zumeist „erbost“, indem es beispielsweise jede Menge unerwünschter Reflexe zurückwirft. Deshalb ist der Einsatz von Blitzlicht allenfalls bei „dokumentarischen“ Wasserfotos sinnvoll. Ob ein höherer Iso-Wert zielführend ist, hängt wiederum von der Qualität der Kamera und vom Motiv ab: je dunkler Flächen sind, umso störender ist das Bildrauschen durch die Nutzung hoher ISO-Zahlen. Will man bewegtes Wasser mit kurzer Belichtungszeit und gleichzeitig hoher Schärfentiefe festhalten, eignet sich deshalb in den meisten Situationen am besten kräftiges Sonnenlicht.

 

Die Wasseroberfläche

 

Da wir zumeist von oben auf Wasser schauen, sprechen wir von seiner Oberfläche - die genau genommen eine Grenzfläche ist. Ihre sich ständig wandelnde Form wird von Gravitation, Widerständen, Wind und anderen Außenfaktoren beeinflusst. Je nach Gewässertyp und äußeren Gegebenheiten kann die Oberfläche aufgewühlt oder gischtend sein, sanft gekräuselt oder spiegelglatt. Daneben sind Kräfte wirksam, die dem Wasser immanent sind, wie Oberflächenspannung, Wirbelbildung und Turbulenzen, seine Tendenz zur Bildung von Fraktalen, seine Reaktion auf Änderungen von Temperatur und Druck usw.

Wie sich Wasserflächen optisch präsentieren, wird zudem beeinflusst von der Fracht des Wassers, seiner Tiefe und dem Untergrund. Sedimente oder Mikroorganismen färben es und können die Sichtweite derart verringern, dass die Oberfläche praktisch „blickdicht“ wird. Je dunkler Wasser ist, umso deutlicher wirft es seine Umgebung als Spiegelbild zurück. Je farbloser es andererseits ist, umso größer wird der Einfluss von Wassertiefe, Untergrund, gelösten Mineralstoffen und Sonnenlicht.

Naturfotografen binden Wasserflächen zumeist in die Landschaft ein, wodurch Details des Wassers im Gesamteindruck eines Bildes aufgehen.

 

 
 
 

Schon schmale Randstreifen stellen den Bezug zur umgebenden Landschaft her.

 

Caumasee bei Flims, Wasserfläche in die Landschaft eingebunden

 

Blendet man die umgebende Landschaft aus, so fokussiert sich die Aufmerksamkeit auf das Wasser.

 

 
 
 
Ein Wasserfoto ohne Landschaftsbezug kann gleichsam zum Stillleben werden, so, als wären die Objekte nach ästhetischen Aspekten gruppiert. Die Natur komponiert unablässig solche „Wasserkunst“, man braucht lediglich Licht, einen offenen Blick und kreative Bildausschnitte, um sie wiederzugeben.
 

 Caumasee bei Flims, Ausschnitt der Wasserfläche

 

 

Wasserfälle mit wuchtig zerstäubenden Wassermassen sind ein beliebtes Motiv. Seltener werden zarte Wasserschleier abgelichtet, an denen sich die Bindungskräfte und Bewegungsabläufe von Wasser gut erkennen lassen. Das Augenmerk des Fotografen gilt entweder dem Schleier selbst ...

 

 

 

... oder dem Motiv dahinter, an dem man seinen fotografischen Spieltrieb austoben kann.

 

 
 
 
Kommen neben Schwerkraft und Luftbewegung zusätzlich Wasserverdrängung und mechanische Einflüsse ins Spiel, beginnt der Schleier zu tanzen. In der Natur braucht man für solche transparenten Fontänen einen geeigneten Hintergrund (im Bild unten eine beschattete Schwelle) - und eine schnelle Reaktion, um den richtigen Augenblick nicht zu verpassen.

 

 

 

Werden die Bindungskräfte schließlich überwunden, verliert das zerstäubende Wasser den Charakter einer Oberfläche und wird zum Schleier.

 

 
 
 

Spiegelung, Verfremdung, Abstraktion

 

 

Spiegelungen sind ein beliebtes Fotomotiv und gut geeignet, um mit Verfremdung zu experimentieren und zu spielen. Dunkles und tiefes Wasser mit „blickdichter“ und ruhiger Oberfläche erzeugt oft kräftige und klare Spiegelungen einer auf den Kopf gestellten Welt, wie sie unserem Bewusstsein vertraut sind.

 

Herbstwald, gespiegelt auf einem dunklen Moorsee, Belichtungszeit 1/500 s

 

 
 Spiegelung eines Hafens in Istrien, um 180 Grad gedreht

 

 

Wasserbewegung fragmentiert die gespiegelte Welt. Mit Belichtungszeit, Schärfentiefe, Kamerawinkel usw.  kann der Fotograf sie weiter verfremden. Oft werden Spiegelungen schon alleine dadurch verfremdet, dass man sie aus ihrem Kontext nimmt. Ist der Betrachter nicht gerade Segler, so wird es einen Tick dauern, bis er im Bild unten die Spiegelung von Leinen im Bootshafen erkennt.

 

Bootsleinen in einem Segelhafen, ohne...

 

 

... und mit „Einordnungshilfe“

 

Das „Weichzeichnen“ mit längeren Belichtungszeiten oder eine sehr starke Fragmentierung auf schaukelnden Oberflächen erhöhen die Abstraktion des Motivs weiter.

 

Reling in einem Bootshafen mit leicht verlaufenen Linien, Belichtungszeit 1/125 s

 

Vollständige Fragmentierung eines Hauses unter blauem Himmel mit weißen Wolkenauf dem schaukelnden Wasser eines Kanals, Belichtungszeit 1/500 s

 

Schwieriger ist es, Spiegelungen auf transparentem Wasser aufzunehmen, bei dem der Gewässerboden durchschimmert. Will man hier „verständliche“ Fotos aufnehmen, helfen oft ein flacher Bildwinkel und der Polfilter, um den Untergrund auszublenden. Dadurch wird die Plastizität der Oberfläche erhöht, der Charakter als Spiegelung wird andererseits gemindert.

 

Glasklares Wasser im schräg einfallenden Abendlicht mit Polfilter und in gebückter Haltung fotografiert , Belichtungszeit 1/60 s; Blende f 11; ISO 1.000

 

Das Auge hat die Fähigkeit des räumlichen Sehens. Das Gehirn filtert aus verschiedenen Ebenen diejenige heraus, die interessiert. Fotografie und Malerei bilden hingegen zweidimensional ab, wie auf dem Foto unten, wo gespiegelte Äste, eine Forelle, Lichtspektren und Seegrund auf eine Ebene reduziert sind.

 

Gilt das Interesse vorrangig dem Fisch, können Spiegelungen stören und man wird sie mit dem Polfilter und geändertem Kamerawinkel so weit wie möglich ausblenden.

 

 
 
 

Quelltöpfe beispielweise sind oft von Bäumen oder Felswänden umgeben und wegen der Spiegelungen besonders schwierig zu fotografieren. Da kann eine geänderte, wenn möglich erhöhte Kameraposition eine Verbesserung bringen.

 

 
 
 

Fotografiert man klares Wasser, ohne seine Lichtspektren sichtbar zu machen, so entsteht bei manchen Motiven der Eindruck, als würden sie gleichsam „fliegen“.

 

 
 
 

Steht nicht ein bestimmtes Motiv im Vordergrund, so können spannende Fotos entstehen, wenn man in klaren Gewässern die gleichzeitige Ablichtung von Spiegelung und Untergrund zulässt.

 

 
 
 

Oft entsteht dabei ein hoher Grad an Verfremdung, oder – bei entsprechend leuchtkräftigem Untergrund – ein Kaleidoskop aus Farbe und Schatten.

 

Spiegelung auf der Ziegelbachquelle südlich von Oberkochen

 

Winterkahle Bäum, gespiegelt auf dem Abfluss der Blauen Quelle in Erl

 

Der eine Betrachter empfindet solche Fotos als verwirrend und lehnt sie ab, der andere wird neugierig und sieht genauer hin.  

 

 

Die Grenzflächen zwischen Wasser und Luft

 

 

Wer ein Stück weit „eintaucht“, lernt die Grenzfläche zwischen Wasser und Luft genauer kennen. Auch hier können Kameras mit ihrer kurzen Belichtungszeit Lichtbrechung und Spiegelung festhalten, die dem Auge zum Teil verborgen bleiben. Mit Geduld und etwas Übung jedenfalls. Die Aufnahmen unten sind mit einer Kompaktkamera in Gehäuse aufgenommen. Da stören gerne unwillkommene Tropfen das Bild und der Autofokus plagt sich im schaukelnden Wasser, weshalb man ihn mit einem Motiv füttern sollte, das er als solches erkennt.

 

 

Artischockenblüte als Split Shot bei geringer Wasserbewegung, an der oberen Wasser-Luft-Grenze gespiegelt

Quelle im Fernsteinsee als Split Shot mit Ufer im Hintergrund,
an der Wasserfläche ist neben Spiegelungen die farbige Brechung des Sonnenlichts zu erkennen

„Spaghetti-Algen“ in der Silfra-Spalte (Island) gegen die untere Grenzfläche gespiegelt

 

 

Oberflächenspannung und Lichtbeugung

 

Die Oberflächenspannung, eine der vielen „Anomalien“ des Wassers, findet man zahlreich erklärt, begründet, berechnet, erfährt, welche Bedeutung sie für den Lotuseffekt oder die Pharmazie hat. Aber selbst so etwas Einfaches wie die Bewegung von Wassertropfen auf einer Oberfläche wirft in der Wissenschaft noch Fragen auf. Kaum jemand malt sich aus, wie eine Erde ohne diese Oberflächenspannung aussähe, ohne Tropfenbildung, geschlossene Wasserflächen, die „Tragkraft“ von Wasser.